Grand-Slam-Turnier in Wimbledon Pitbull und Puzzle-Liebhaber

London · Lange war Tennis für Dominik Köpfer nur ein Hobby. Jetzt steht der Schwarzwälder in Wimbledon in Runde zwei.

Als Dominik Köpfer sich vor gut zehn Jahren überlegte, wie es mit seinem Sportlerleben weitergehen könne, machte er eine einfache Rechnung auf: „Golf ist langweilig. Skifahren ist gefährlich. Fußball ist auch gefährlich“, erinnert sich Köpfer, „also lag es nahe, Tennis zu spielen.“ Köpfer ist später manchmal ins Grübeln gekommen, er hat schließlich zähe Jahre im Tennisgeschäft hinter sich gebracht, im amerikanischen Collegetennis, danach auf der Challenger-Tour. Aber als er am Dienstagabend den All England Lawn Tennis Club in Wimbledon verließ, nach seinem bisher größten Tag als Berufsspieler, als Erstrundengewinner beim Grand Slam-Debüt, da war er sich felsenfest sicher: „Ich habe alles richtig gemacht. Ich bin sehr glücklich jetzt.“

Vor zweieinhalb Wochen hatte Köpfer schon mal das Gefühl gehabt, als fielen „Weihnachten und Ostern zusammen“. Es war im englischen Ilkley gewesen, bei einem ganz besonderen Challenger-Turnier – der Sieger dort streicht nicht nur 125 Weltranglistenpunkte und einige Tausend Euro ein, sondern auch noch eine Freikarte für Wimbledon. Im Finale gegen den Österreicher Dennis Novak ging es auf Biegen und Brechen um das Extraticket, Köpfer geriet in die Bredouille, hatte einen Matchball gegen sich. Doch am Ende triumphierte er, der Kämpfertyp aus dem Schwarzwald, den sie in Kollegenkreisen auch „Pitbull“ nennen, weil er sich in jeder Partie festbeißt. Und weitermacht, immer weiter. „Ich bin einer, der um jeden Punkt kämpft, als sei es der letzte“, sagt Köpfer, aktuell die Nummer 127 der Weltrangliste.

Nun, nach seinem 6:3, 4:6, 7:6 (11:9), 6:1 gegen den Serben Filip Krajinovic in der ersten Runde, hat Köpfer eine ganz neue Welt betreten, mit staunenden Augen und großer Genugtuung. „Dass ich es nach Wimbledon geschafft habe, macht mich einfach nur stolz“, sagt der 25-Jährige, „das schaffen ja nicht so viele.“ Schon gar nicht viele, die so spät wie Köpfer alle Energie in eine Karriere legen und abseits des komfortablen Fördersystems arbeiten. Köpfer fiel den Verantwortlichen beim DTB erst ins Auge, als er unversehens deutscher Vizemeister bei den U16-Junioren wurde, mit einem deutlich geringeren Trainingsprogramm. Aber Köpfer ist ein natürliches Talent. Einer, der sich praktisch aus dem Stand Chancen eröffnen kann.

Seinen Schliff erhielt er allerdings erst, als er ins amerikanische Collegesystem wechselte, auf den Spuren bekannter deutscher Akteure wie Alexander Waske oder dem Orscholzer Benjamin Becker. Die Tulsane University in New Orleans holte ihn aus der Beschaulichkeit des Schwarzwalds, aus seinem Heimatstädtchen Furtwangen, ins rauhe Konkurrenzgeschäft des Collegetennis. Köpfer musste sich hinten anstellen, musste auch anfangs um seinen Mannschaftsplatz in der Studententruppe bangen. Doch Kämpfer Köpfer entwickelte sich bald zum besten Spieler, den Tulsane je hatte, 2015 wurde sein Team mit ihm sogar amerikanischer Hallenmeister. „Am Ende gab es keine Grenzen mehr für ihn“, sagte Köpfers Ex-Trainer Mark Booras über den tüchtigen Deutschen, dem er auch die richtige Entspannungsmethode an die Hand gab: „Er ist schon ein Hitzkopf, immer ganz schön geladen. Da habe ich ihm ein Puzzle gegeben, um mal abzuschalten.“

Als Berufsspieler hat Köpfer bisher die überwiegend harten Seiten des Geschäfts kennengelernt. Die letzten beiden Jahre habe er „mit einem Minus“ abgeschlossen, sagt er. Ohne elterliche Unterstützung wäre es „kaum weitergegangen“. Wimbledon, das größte Turnier der Welt, kommt nun als Aufmunterung in jeder Beziehung zur rechten Zeit. Der Auftritt auf dem heiligen Rasen ist die Bestätigung, bei den Großen mitmischen zu können. Die 80 000 Euro Preisgeld schaffen erstmals auch ein finanzielles Polster, davon könne er nun knappe zwei Jahre einen Trainer finanzieren, sagt Spätzünder Köpfer. Und, was rechnet er sich noch aus, für den Rest seiner Laufbahn? „Top 50 bis Top 100 kann ich schaffen, davon bin ich nicht weit weg“, sagt er vor seinem nächsten Match gegen den Argentinier Diego Schwartzman.

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