Radsport Der Radprofi hängt den Skispringer ab

Madrid · Mit 29 Jahren kommt der Slowene als Sieger der Spanien-Rundfahrt in seiner zweiten Karriere ganz oben an.

 Der Slowene Primoz Roglic, einst Skispringer und heute einer der besten Radprofis der Welt, streckt die Vuelta-Trophäe in die Höhe.

Der Slowene Primoz Roglic, einst Skispringer und heute einer der besten Radprofis der Welt, streckt die Vuelta-Trophäe in die Höhe.

Foto: dpa/Manu Fernandez

Auf der kargen Passhöhe der Plataforma de Gredos hatte Primoz Roglic seine wundersame Verwandlung endgültig vollzogen: Der Radprofi Roglic ist nun definitiv erfolgreicher, als es der Skispringer Roglic war. Der Slowene, der einst auf der Schanze einen Gregor Schlierenzauer und einen Severin Freund besiegte und Junioren-Weltmeister wurde, kommt als Gewinner der Spanien-Rundfahrt nun auf dem vorläufigen Gipfel seiner zweiten sportlichen Laufbahn an.

Nach der letzten Etappe durch Madrid, auf der der Führende am Sonntag traditionell nicht mehr angegriffen wurde, kletterte Roglic eingehüllt in die slowenische Landesflagge etwas schüchtern auf das Siegerpodest und verlor nicht viele Worte. „Vielen Dank an meine Familie für ihre Unterstützung. Und an alle Menschen, die an dieser enormen Leistung beteiligt sind“, sagte der 29-Jährige in seiner knappen Ansprache, bei der er immerhin ein in den vergangenen Wochen selten gesehenes Lächeln zeigte.

Roglic lässt lieber seine Beine sprechen – wie am Samstag, als ihm der zweitplatzierte Weltmeister Alejandro Valverde bei der letzten Kletterpartie einer brutalen Vuelta nur noch neun Sekunden abnehmen konnte. Es blieben letztlich satte 136 Sekunden Vorsprung. Roglic, dieser stoische, unaufgeregte Arbeiter, war in drei spanischen Wochen eine Klasse für sich. Sein erster Sieg bei einer Grand Tour, der erste eines Slowenen überhaupt, ist hochverdient.

„Primoz ist sehr zielstrebig, sehr ruhig. Er ist sehr relaxed, aber trotz dieser Gelassenheit immer sehr gut vorbereitet“, sagte Tony Martin über seinen Kapitän und Zimmerkollegen. Der viermalige Zeitfahr-Weltmeister hatte Roglic über viele Vuelta-Kilometer wertvolle Dienste geleistet, ehe beide am drittletzten Tag gemeinsam stürzten. Roglic konnte weiterfahren, musste aber fortan auf seinen deutschen Bodyguard verzichten. Doch auch diesen Rückschlag verkraftete der Slowene.

Stürzen und aufstehen: Das hatte Roglic schon im ersten Sportler-Leben gelernt. „Ich wollte der beste Skispringer der Welt werden, der Traum hat sich nicht erfüllt. Deshalb habe ich umgedacht“, sagte Roglic, der 2007 WM-Gold mit Sloweniens Skisprung-Nachwuchs gewonnen hatte, im Erwachsenen-Bereich Triumphe im zweitklassigen Continental-Cup feierte, spätere Weltmeister wie Schlierenzauer und Freund oder einen slowenischen Volkshelden wie Primoz Peterka besiegte.

Weil schwere Stürze folgten, der Weg nach ganz oben eine Sackgasse war, quittierte Roglic 2011 den Winterdienst. Er kaufte ein Rennrad, trainierte gnadenlos und wurde 2016 vom Jumbo-Visma-Team aufgenommen. „Ich hatte einige Tage nicht trainiert und sagte ihnen das auch. Aber dann machten wir den Test. Und er fiel so aus, dass sie mich engagierten“, erzählte Roglic.

2017 und 2018 gewann er Berg­etappen bei der Tour de France, nach einem überragenden Frühjahr 2019 fuhr Roglic als Topfavorit zum Giro, übernahm die Gesamtführung – schwächelte dann, zahlte Lehrgeld und lernte. „Nach dem Giro war es nicht schwer, mich zu motivieren“, sagte Roglic: „Ich will einfach in jedem Rennen, das ich fahre, gewinnen.“

Diese slowenische Radsport-Philosophie bringt auch Tadej Pogacar mit. Der 20-Jährige wurde zur Vuelta-Entdeckung, gewann drei Berg­etappen, was ihn auf Gesamtplatz drei hievte. Pogacar gehört die Zukunft. Gut möglich, dass die größten Idole der kleinen Sportnation Slowenien künftig nicht mehr des Winters die Berge hinab-, sondern des Sommers hinauffliegen.

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