Behindertensport Der „neue Blade Runner“ ist in Rekord-Laune

Dubai · Johannes Floors aus Leverkusen glänzt bei Para-WM in Dubai mit Weltbestmarke über 100 Meter. Nicole Nicoleitzik wird Sechste über 200 Meter.

 Johannes Floors hat in Dubai einen Weltrekord aufgestellt.

Johannes Floors hat in Dubai einen Weltrekord aufgestellt.

Foto: dpa/Jens Büttner

Johannes Floors riss die Arme hoch, fragte noch kurz nach den Windverhältnissen, dann jubelte er ausgelassen: Schon im Vorlauf der Para-Leichtathletik-WM in Dubai rannte der 24-Jährige am Sonntag zum Weltrekord. Seine 10,54 Sekunden sind die beste Zeit, die je ein Amputierter über 100 Meter gelaufen ist. „Geiler Lauf, geiler Weltrekord“, sagte der Sunnyboy, der von TV-Stationen aus aller Welt vor die Kameras geholt wurde.

Es war der vorläufige Höhepunkt einer besonderen Lebens-Geschichte. Er habe sich „freiwillig“ die Beine amputieren lassen, konnte Floors schon oft über sich lesen. Diese Formulierung stört ihn nicht. „Ich hatte ja wirklich die Wahl“, erklärte er: „Mich ärgert nur, wenn gesagt wird, dass ich es für den Erfolg getan hätte. Ich habe es für mich getan. Weil ich eine Scheiß-Situation hatte.“

Floors kam mit einem Fibula-Gendefekt zur Welt. Er hatte kein Wadenbein und nur drei Zehen, der Fuß war verkümmert. „Ich hatte den ganzen Tag Schmerzen. Ich konnte keine zehn Minuten stehen. Ich hatte deformierte Füße“, erzählt er: „Irgendwann habe ich gefragt: Mama, welche Optionen gibt es denn noch? So geht es einfach nicht mehr.“

Die Amputation war für ihn die logische Folge – und die beste Entscheidung seines Lebens. „Ich habe keine Schmerzen mehr“, sagt er heute: „Okay, irgendwann tut der Stumpf weh. Aber nicht nach zehn Minuten, sondern nach fünf oder sechs Stunden.“ Auch die Leute reagieren anders auf ihn. „Sie schauen bei Fehlbildungen viel öfter seltsam als bei Prothesen“, sagt der Leverkusener: „Und das gibt mir ein ganz anderes Selbstbewusstsein.“

All das hat den „immer schon sportverrückten“ Johannes, der als Kind vor der Schule mit dem Fahrrad ins Schwimmbad fuhr, „weil Schwimmen und Radfahren gingen“, zu einem internationalen Aushängeschild des Para-Sports gemacht. Und das in den Klassen ist, in denen bis zu seinem tiefen Fall der später inhaftierte „Blade Runner“ Oscar Pistorius dominierte. Weshalb Floors öfter auch als „neuer Blade Runner“ betitelt wird. „Ein cooler Name“, sagt Floors.

Das größte Ziel des dreimaligen Weltmeisters von London 2017 ist es, über 400 Meter die Zeit von Pistorius zu schlagen. 45,07 Sekunden waren das, Floors steht bei 46,65 Sekunden. „Anderthalb Sekunden sind viel“, sagt er: „Aber diese Marke will ich haben.“ Über 100 Meter ist er ja schon die Nummer eins.

Bei der Para-WM in Dubai gab es bisher Gold für Irmgard Bensusan über 200 Meter und Leon Schäfer im Weitsprung sowie Silber für Niko Kappel im Kugelstoßen. Nicole Nicoleitzik vom TV Püttlingen wurde über 200 Meter Sechste (31,71 Sekunden).

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