Leitartikel zum Ende der Olympischen Spiele Olympische Absurditäten als Alltag im Weltsport
Das Fazit zu den Olympischen Spielen fällt zwiespältig aus, findet SZ-Sportredakteur Stefan Regel und führt an, wie wir uns bereits alle an groteske Szenen im Weltsport bereits gewöhnt haben.
Am Sonntag sind die XXIV. Olympischen Winterspiele zu Ende gegangen. Bei der Frage nach der Bilanz dieser 16 Tage von Peking gibt es drei Haupt-Aspekte: den politischen, den sportlichen – und Corona. In Sachen Pandemie ist dank ultrastrenger Regeln, die sogar Putins Tisch übertreffen, ein Fiasko ausgeblieben. Die Omikron-Welle blieb bei den zweiten „Corona-Spielen“ nach Tokio 2020 aus. Natürlich sorgte Corona für absurde Szenen mit Sportlern, die über schlechte Quarantäne-Bedingungen klagten, oder zwei Eishockey-Teams, die mit Masken gegeneinander spielten.
Nicht minder absurd ging es bei den „Notspielen“ in China bisweilen auch sportlich zu. Für Aufsehen sorgten Bilder einer Sprungschanze für Ski-Akrobatik-Wettbewerbe als grotesker „weißer Fleck“ in einem stillgelegten Stahlwerk. Sportler vor dem Hintergrund von Kühltürmen: Die Spiele, die schon lange eine Industrie sind, sind in Industriegebieten angekommen. Befremdlich muteten auch Sportler wie die für China eingebürgerte Doppel-Olympiasiegerin Eileen Gu, eine US-Amerikanerin, an. Im chinesischen Eishockey-Team wurden, um eine Blamage zu verhindern, drei Kanadier, drei US-Bürger und ein Russe eingebürgert und mit chinesischen Namen versehen. Fragwürdig war natürlich auch der Umgang mit der 15-jährigen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa, dem prominentesten Dopingfall. Die junge Russin zerbrach am Druck, wurde nur Vierte. Ihre Trainerin nahm sie nicht in die Arme, sondern blaffte sie auf der Weltbühne so eiskalt an, dass die Eisfläche dagegen kuschelig-warm anmutete.
Für Team Deutschland waren es erfolgreiche Spiele. Im Schatten der übermächtigen Norweger gab es die meisten Goldmedaillen beim Rodeln und Bobfahren im Eiskanal, hier ist Deutschland auch durch die Anzahl der Bahnen und die Infrastruktur weltweit führend. Es gab Sensationen, aber auch Enttäuschungen – etwa bei den alpinen Skifahrern und den Biathleten.
Und politisch? Da waren die Spiele ein Spielball, der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach hat sich dem chinesischen System gebeugt, fand nicht nur der heutige TV-Experte und Ex-Skistar Felix Neureuther. Angesichts von Zensur-Maßnahmen und Menschenrechtsverletzungen wie die Verfolgung der Minderheit der Uiguren mutete es da absurd an, dass ausgerechnet eine uigurische Langläuferin bei der Eröffnungsfeier das Olympische Feuer entzündete. Die Gräben zum Westen sind weiter tief, daran haben auch die Spiele nichts geändert. Zum Aufpolieren des Images taugten diese Spiele nicht. Im deutschen TV wurde gar darüber diskutiert, warum man überhaupt berichtet. Es gab keinen Eklat, auch rief kein Athlet zur Solidarität mit Tibet auf. Vor allem hat die Welt angesichts der Ukraine-Krise gerade andere Sorgen.
Ein fader Beigeschmack des Absurden bleibt. An den haben wir uns bei Spitzensport-Ereignissen aber leider schon gewöhnt. Wie sehr, das wird die nächste Absurdität des Weltsports schon ab Ende November zeigen: die erste Winter-Fußball-WM im Wüstenstaat Katar. Und die kostete schon etliche Bauarbeiter das Leben.