Sprinter Coleman unter Verdacht Neue Generation, alte Probleme?

Köln · US-Sprinter Christian Coleman hat wohl drei Dopingtests verpasst. Vor der WM droht der Königsdisziplin der Rückfall in düstere Zeiten.

Wer die Königsdisziplin der Leichtathletik in die Schmuddel­ecke stellen will, kann auf folgenden Fakt verweisen: Von den 50 besten Zeiten der Geschichte über 100 Meter sind nur 15 nicht von Läufern erzielt worden, die entweder des Dopings überführt oder zumindest wegen positiver beziehungsweise verpasster Tests der Manipulation beschuldigt wurden. Und diese 15 Zeiten gehen allesamt auf das Konto eines einzigen Sprinters, des Schnellsten überhaupt: Usain Bolt.

Der Fall Christian Coleman, der offiziell noch keiner ist, hätte demnach Tradition. Und doch wäre es besonders bitter, wenn sich bestätigen würde, dass der US-Topstar, wie von Daily Mail und New York Times berichtet, binnen zwölf Monaten drei Dopingtests verpasst hat. Denn der Mann, der den großen Bolt 2017 mit WM-Bronze in Rente geschickt hatte, stand bis dato für eine neue und womöglich sauberere Generation der schnellsten Menschen.

Der 23 Jahre alte Coleman äußerte sich zu den Vorwürfen bislang nicht. Seit seiner Absage für das Diamond-League-Meeting am vergangenen Sonntag in Birmingham „als Ergebnis von Komplikationen nach dem Training in der vergangenen Woche“ herrscht Funkstille. Einen knappen Monat vor der WM in Doha (27. September bis 6. Oktober) ist die Zukunft des Vizeweltmeisters ungewiss.

Die US-Anti-Doping-Behörde Usada wollte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP nicht bestätigen, dass es einen Fall Coleman gibt. Grundsätzlich müsse erst eine „komplette Untersuchung“ stattfinden, bevor sich die Usada in derlei Angelegenheiten äußere. Die Vorwürfe gegen Coleman, Hallen-Weltrekordler über 60 Meter, wiegen schwer. Bei drei „missed tests“ droht eine Dopingsperre bis zu zwei Jahren. Coleman, mit 9,81 Sekunden derzeit Nummer eins in der Welt über 100 Meter, könnte nicht nur die Titelkämpfe in Katar verpassen, sondern auch die Olympischen Spiele 2020 in Tokio.

Gold in Doha war Colemans erklärtes Ziel. „Ich bin in der Form meines Lebens und kann immer noch besser werden“, hatte er gesagt. Gemeinsam mit dem ein Jahr jüngeren Noah Lyles, 2019 weltweite Nummer zwei über 100 und Nummer eins über 200 Meter, stand Coleman bislang für eine glänzende Zukunft des US-Sprints. Dessen prominenteste Vertreter waren zuvor in hässlicher Regelmäßigkeit von den Dopingfahndern aussortiert worden: Tim Montgomery, Tyson Gay oder Justin Gatlin – sie alle manipulierten zumindest zeitweise.

Gatlin, immer wieder Gatlin: Zweimal wurde er als Dopingsünder überführt, lief nach seiner letzten Sperre schneller als jemals zuvor und wurde 2017 in London vor Coleman und Bolt Weltmeister. Mittlerweile ist er 37 Jahre alt, trotzdem noch die Nummer vier der Welt und damit Medaillenanwärter für Doha. Dem Vernehmen nach trainiert Gatlin weiterhin beim berüchtigten Dennis Mitchell. Vom Barcelona-Olympiasieger, als Sportler schon gedopt erwischt, hatte sich Gatlin vermeintlich losgesagt, nachdem Mitchell 2017 einem getarnten Reporter Dopingmittel angeboten hatte.

Für Verwunderung hatte Coleman vor der WM 2017 gesorgt, als er Gatlin seinen Mentor nannte: „Er hat mir viele Ratschläge gegeben“, sagte der Jungstar damals. Mittlerweile scheint durch, dass der Mentor in mancher Hinsicht Colemans Vorbild gewesen sein könnte.

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