Leichtathletik Mit Lust und Leidenschaften zu Olympia-Gold

Offenburg · Speerwurf-Star Johannes Vetter startet am Samstag in die Saison. Das große Ziel des Ex-Saar-05-Athleten ist der Triumph in Tokio.

 Speerwerfer Johannes Vetter stemmt Gewichte während seines Trainings in der Rüdiger-Hurrle-Leichtathletikhalle in Offenburg.

Speerwerfer Johannes Vetter stemmt Gewichte während seines Trainings in der Rüdiger-Hurrle-Leichtathletikhalle in Offenburg.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Beim sogenannten Todesreißen mit 120 Kilo schweren Scheiben an der Eisenstange schwellen Bizeps und Brustkorb von Johannes Vetter, als wolle er Superman Konkurrenz machen. Dann geht’s mit 50 Kilo ans schnelle Reißen: Zackig wuchtet der 1,88 Meter große Modellathlet die Gewichte hoch. „Damit die Nervenmuskel schnell zucken können“, erklärt sein saarländischer Trainer Boris Obergföll. Mit seiner Kraft und Explosivität hat es Vetter schon zum Weltmeister im Speerwerfen gebracht. Jetzt ist er der Olympia-Favorit – und dafür schuftet Vetter mit Lust und Leidenschaft.

„Sieht das aus, als wäre es Quälerei? Eigentlich macht es nur Gaudi. Den Schmerz sehe ich nicht“, sagt der 28-Jährige grinsend und versichert: „Ich gehe sehr, sehr gerne zur Arbeit.“ In der Leichtathletik-Halle von Offenburg geht es auch bei schweißtreibender Tätigkeit fröhlich zu: Christina Obergföll, die Weltmeisterin von 2013 und Ehefrau von Boris, hat die Kinder Marlon und Noah mitgebracht, die auf der Hochsprungmatte herumtoben. Der Familienhund jagt einem Tennisball nach – und Vetter hat auch noch die Musik aufgedreht.

Aus der Rüdiger-Hurrle-Halle kann er sogar den Speer nach draußen werfen, doch an diesem Tag steht Eisen fressen an: Krafttraining, danach ein paar Sprints. Beim Aufwärmen haben sich Vetter und Obergföll, der auch Bundestrainer der Speerwerfer ist, ein Badminton-Match geliefert.

Die Vorfreude ist spürbar: Am Samstag geht nach dem so schwierigen Jahr 2020 mit wenigen und späten Starts und ohne Olympia, WM oder EM endlich die internationale Wettkampf-Saison los. Beim Werfer-Europacup im kroatischen Split kann Vetter seine Kräfte und Wurftechnik walten lassen. „Letztes Jahr, das war echt monoton so über Monate hinweg“, sagt er. Und dennoch: Im September haute der Olympia-Vierte von 2016 noch einen raus: Mit seinem deutschen Rekord von 97,76 Metern im polnischen Chorzow war der ehemalige Saar-05-Athlet der herausragende Speerspezialist in der Welt – und näherte sich bis auf 72 Zentimeter dem Weltrekord des Tschechen Jan Zelezny aus dem Jahr 1996.

Bei Olympia in Rio triumphierte Vetters Konkurrent Thomas Röhler aus Jena. Die Konkurrenz im deutschen Lager um die drei Olympia-Tickets ist groß: Vetter, Röhler, Andreas Hofmann aus Mannheim, der allerdings nach einer Ellbogen-Operation erst wieder in Form kommen muss, Julian Weber, Bernhard Seifert. Doch seit der WM 2019 in Doha, als Vetter Bronze holte und die Mitfavoriten Röhler und Hofmann überraschend in der Qualifikation scheiterten, ist der Weltmeister von 2017 die Nummer eins.

Die Wettkampf-Reisen geht Vetter auch beruhigter an als im vergangenen Jahr: Vor einigen Tagen bekam er seine erste Corona-Impfung. „Ich habe eine pflegebedürftige Person im engeren Umfeld, die ich öfter sehe. Ich bin sehr dankbar dafür, dass es bei mir so schnell ging“, sagt der gebürtige Dresdner. Nebenwirkungen habe er bis auf einen etwas schweren Arm nicht gehabt.

Deshalb kann Vetter seine Kräfte weiter fünf Mal die Woche spielen lassen. Trainiert wird aber nur einmal am Tag. „Es ist ein total schmaler Grat zwischen Form und Verletzung“, sagt er und macht an der Sprossenwand noch ein paar Übungen, dass das Holz knirscht.

Normalerweise wären Vetter und Obergföll jetzt im Trainingslager in der Türkei. „Aber das Risiko gehen wir auf keinen Fall ein“, sagt der Trainer mit Blick auf die Infektionsgefahr. Vetter erweckt nicht den Eindruck, als ob er für das schwierige Drumherum in der Pandemie unnötige Kräfte verschwendet. Sein Bart steht auch für seine gewachsene Reife. „Es werden andere Spiele werden, aber es werden dennoch Olympische Spiele, und darauf kommt es an. Ich möchte die Goldmedaille holen, darauf liegt der Fokus“, sagt „Jojo“, wie ihn die meisten nennen, und verschwindet im Eisbad.

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