Leichtathletik Holzdeppe sieht sich mit scharfer Kritik konfrontiert

Berlin · Der ehemalige Weltklasse-Stabhochspringer Tim Lobinger rechnet mit seinen Nachfolgern ab. Vor allem der Ex-Weltmeister bekommt sein Fett ab.

 Stabhochspringer Raphael Holzdeppe springt seit Jahren seinen Ansprüchen hinterher – und erntet jetzt scharfe Kritik.

Stabhochspringer Raphael Holzdeppe springt seit Jahren seinen Ansprüchen hinterher – und erntet jetzt scharfe Kritik.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Schwedens Überflieger Armand Duplantis begeistert die Leichtathletik mit Weltrekorden – die deutschen Stabhochspringer können nur staunen. Der Leverkusener Bo Kanda Lita Baehre ist mit 20 Jahren so jung wie Duplantis und war in Doha immerhin WM-Vierter. Doch die Generation um Ex-Weltmeister Raphael Holzdeppe ruhe sich auf ihren Lorbeeren aus – sagt der langjährige Weltklasse-Mann Tim Lobinger in einer gnadenlosen Abrechnung vor den deutschen Hallen-Meisterschaften am kommenden Wochenende in Leipzig.

„Viele leben in einer Komfortzone so groß wie ein Bundesland. Ich sehe nicht, dass unsere Leistungsträger den Mut haben, auch mal andere Wege zu gehen“, sagt der 47-jährige Lobinger: „Raphael hat mehr Wettkämpfe abgesagt und ausfallen lassen, als ich trainingsfreie Tage in meiner gesamten Karriere gehabt habe. Und diese Statistik stimmt.“

Mit Holzdeppe ging der Hallen-Weltmeister von 2003 besonders hart ins Gericht. „Was zählen Erfolge von gestern, wenn man noch aktiv ist? Wer ist noch hungrig? Wer reflektiert sich überhaupt?“, fragt Lobinger. Wenn Holzdeppe dies tun würde, müsste er „weinen – und dann sofort in die Trainingshalle fahren“.

Der Weltmeister von 2013 reagierte auf die Schelte sehr souverän. „Ich bin Profi genug, um mit solchen Aussagen umgehen zu können, und wünsche Tim und seiner Familie weiterhin alles Gute“, sagt Holzdeppe. Der 30-Jährige vom LAZ Zweibrücken war – im Gegensatz zu Lobinger – Freiluft-Weltmeister und gewann eine Olympia-Medaille. „Von 2013 bis 2015 ist ein bisschen der Schwung verloren gegangen. Da ist ein kleines Loch entstanden“, räumte Holzdeppe aber ein.

Während Europameister und Vize-Weltmeister Duplantis am Samstag in Glasgow den Weltrekord auf 6,18 Meter schraubte, hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) ganz andere Sorgen. „Im Moment finden wir keine so talentierten Athleten wie beispielsweise damals Raphael oder Danny Ecker, die schon in jungen Jahren sehr gut waren“, sagt Bundestrainer Andrej Tiwontschik, der Olympia-Dritte von 1996.

Sein Schützling Holzdeppe gehörte lange zu den besten Stab-Artisten der Welt: WM-Gold 2013, WM-Silber 2015, Olympia-Bronze 2012 hinter Björn Otto und eine Bestleistung von 5,94 Metern. In diesem Sommer will der in Saarbrücken lebende Athlet – mal wieder – die sechs Meter angreifen. Am liebsten bei den Olympischen Spielen in Tokio.

„Wir stagnieren im Männer-Stabhochsprung schon lange. Die lullen sich einfach ein – das ist irgendwie lähmend“, entgegnet Lobinger, der drei Jahre nach seiner Leu­kämie-Diagnose und langer Therapie inzwischen als Athletiktrainer in einem Leistungszentrum für Profisportler in der Nähe von Salzburg arbeitet. Blech und Lita Baehre führen derzeit mit jeweils 5,70 Metern die deutsche Bestenliste an – 48 Zentimeter unter Duplantis’ Weltrekord.

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