Schwimm-WM in Südkorea Auf dem Weg zur Randsportart ohne TV-Präsenz

Gwangju · Wenn die deutschen Schwimmer in Südkorea ins Wasser steigen, gibt es im Fernsehen nichts davon live zu sehen.

 Florian Wellbrock, der auf unserem Foto seinen Europameistertitel feiert, gehört zu den aussichtsreichsten deutschen Schwimmern bei der WM. Im Fernsehen wird man seine Starts aber nicht zu Gesicht bekommen.

Florian Wellbrock, der auf unserem Foto seinen Europameistertitel feiert, gehört zu den aussichtsreichsten deutschen Schwimmern bei der WM. Im Fernsehen wird man seine Starts aber nicht zu Gesicht bekommen.

Foto: dpa/Ian Rutherford

Die Athleten fiebern dem Startschuss der Schwimm-Weltmeisterschaft am Freitag in Südkorea entgegen, aber die deutschen Sportfans bekommen von der Euphorie kaum etwas mit. Und das wird wohl auch so bleiben. Im Hauptprogramm von ARD und ZDF laufen während der Titelkämpfe Formate wie „Sturm der Liebe“ oder „Bares für Rares“, für den „Quotenkiller“ Schwimmen ist kein Platz mehr.

Da auch Eurosport auf eine Live-Berichterstattung im Fernsehen verzichtet, ist der erste TV-Blackout bei einer WM perfekt. Bilder liefert nur das ZDF als Livestream in seiner Mediathek. Wassersprungstar Patrick Hausding findet das „peinlich und traurig“ – doch manche Gründe sind auch hausgemacht. Die Medaillenchancen der deutschen Athleten um Hausding und Becken-Europameister Florian Wellbrock sind höchst überschaubar. Und der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) gab und gibt in der Öffentlichkeit kein besonders gutes Bild ab.

„In den letzten Jahren war es ein ziemliches Chaos“, sagt Athletensprecherin Sarah Köhler. Seit dem Rücktritt von Gabi Dörries vor sieben Monaten infolge eines Streits um eine Mitgliedsbeitragserhöhung um 60 Cent steht der DSV ohne Oberhaupt da. Und auch der anschließende Rücktritt des Schwimm-Bundestrainers Henning Lambertz schlug hohe Wellen. Die langjährige DSV-Chefin Christa Thiel wurde nun an die Spitze einer Findungskommission gesetzt, um entsprechend der Satzungsänderung geeignete Kandidaten für den neuen Vorstand zu finden. Da dieses Amt ehrenamtlich ausgeführt wird, dämpft Thiel bereits die Erwartungen. „Das wird nicht einfach, da sind sich alle einig“, sagt Thiel: „Es gab zu allen Zeiten in diesem Verband große Herausforderungen, und das ist auch jetzt so.“

Eine Führungskrise sieht Thomas Kurschilgen dennoch nicht, „der DSV ist voll handlungsfähig“, betont der Direktor Leistungssport. Aufgrund der neuen Satzung sind Kurschilgens Kompetenzen gestiegen, und der neue starke Mann krempelte seinen Bereich auch kräftig um. Statt eines Bundestrainers soll ein ganzer Betreuerstab mit dem Namen „Team Tokio 2020“ die dritte olympische Nullnummer in Folge für deutsche Beckenschwimmer verhindern. Auch die zuvor vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und dem Bundesinnenministerium geforderten Punkte Zentralisierung und Teamverkleinerung sind vorerst vom Tisch. „Insellösungen sind Zufallsprodukte“, warnte jedoch Lambertz. Auch Lambertz‘ Vorgänger Dirk Lange hält nichts von der neuen Konstellation: „Salopp gesagt: Jeder kann machen, was er will. Aber es ist wie auf einem Schiff: Es muss einen Kapitän geben, der die Entscheidungen trifft.“

Doch es gibt auch positive Stimmen. „Es ist ein Ruck durch den Verband gegangen“, sagt Freiwasser-Bundestrainer Stefan Lurz: „Die Gelder aus der öffentlichen Hand fließen ordentlich, wir haben mehr Personal.“ Vielleicht hat Kurschilgen, zuvor Ressortleiter Verbandsmanagement beim DOSB, seine Beziehungen spielen lassen.

Mit insgesamt 61 Athleten reist der DSV nach Gwangju. Kurschilgen will keine konkreten Ziele nennen, er fordert lediglich, die Athleten sollen „mit Sympathie und Leidenschaft antreten, mit Stolz ihr Land und ihren Verband repräsentieren und für spannende Wettkämpfe sorgen“. Doch das allein wird nicht reichen, um den Status der Randsportart wieder abzulegen.

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