Dopingskandal Internationale Presse kritisiert mangelnde Härte

Moskau · Internationale Pressestimmen zu den Sanktionen der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) gegen Russland.

Sport-Express (Russland): „Die Entscheidung der Wada war vorhersehbar. Die Hoffnung, dem zu entgehen oder zumindest eine reduzierte Strafe zu bekommen, galt schon von vornhinein als verrückt. Ebenso unwahrscheinlich war es, alle Russen mit einem totalen Bann von allen Sportveranstaltungen fernzuhalten. Die Wada hat nun eine Zwischenoption gewählt: Es ist eine ziemlich harte, aber zumindest eine, an die sich die Welt bereits gewöhnt hat.“

Rossijskaja Gaseta (Russland): „Das ist sehr beleidigend und noch mehr: Es ist eine lächerliche Entscheidung. Nicht nur die russischen Sportler dürfen als solche nicht zu Wettbewerben anreisen. Auch Staatsbeamte dürfen an großen internationalen Wettkämpfen nicht teilnehmen. Das ist doch klarer Unsinn!“

Kommersant (Russland): „Den heimischen Sport hat die größte Katastrophe seiner Geschichte eingeholt. Die Empfehlungen und das endgültige Urteil ist wohl der schmerzhafteste Schlag, den der russische Sport jemals bekommen hat.“

The Times (England): „Wladimir Putin will auf Biegen und Brechen, dass Russland als Sieger aus all seinen Unternehmungen hervorgeht. Wenn nötig werden für das, was der Präsident als nationales Interesse ansieht, Regeln verletzt und gebeugt. Das gilt für geopolitische Rivalitäten, für Betrug durch Spione und auf besonders krasse Weise für den internationalen Sport.“

El País (Spanien): „Das IOC hat die Sanktion begrüßt, die seinem Wunsch nahe kommt, die Institutionen zu bestrafen und nicht direkt die Athleten, wodurch Unschuldige geschützt werden. Wer weiß, welches von beidem derzeit mehr verletzt ist: der nationale Sportpatriotismus der russischen Großmacht oder deren Stolz auf Kriminelle, die durch ihre eigene Ungeschicklichkeit zu Fall gekommen sind.“

El Mundo (Spanien): „Der Skandal war so groß, dass nur eine exemplarische Sanktion wie die am Montag angekündigte der Grundstein für den Versuch sein kann, die Geißel des systematischen Dopings in einem Land von so großer Bedeutung und so großem sportlichen Einfluss wie Russland zu beenden.“

Gazeta Wyborcza (Polen): „Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Russen mehr dürfen – mehr ausfressen, mehr kaputtmachen, mehr betrügen – und dafür keine angemessene Strafe bekommen, weil sich immer jemand findet, der sagt, dass sie zu groß und wichtig sind, um sie hart anzufassen.“

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz): „Was auf den ersten Blick wie ein entschiedenes Durchgreifen der Sportwelt gegen eines ihrer renitenten Mitglieder klingt, ist bei genauerem Hinsehen nicht viel mehr als ein Papiertiger. Die russischen Athleten werden in Tokio um Olympia-Medaillen kämpfen. Die russischen Fußballer werden an der EM 2020 teilnehmen. Die russische Stadt Sankt Petersburg wird Schauplatz von drei Vorrundenspielen und einem Viertelfinale sein. Die Wada hat den Russen genügend Hintertüren offen gelassen.“

Tages-Anzeiger (Schweiz): „Gratulation den Russen! Die Strafe der Wada gegen Russland klingt hart. Gemessen am immensen Betrug, ist sie milde. Was passiert, wenn eine Nation systematisch über Jahre ihre Athleten dopt – und dieser Betrug zweifelsfrei belegt ist? Sie wird ein bisschen dafür bestraft.“

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