Eishockey-WM in der Slowakei Erinnerungen an Südkorea werden wach
Kosice · Mit dem besten WM-Start seit 1930 hat die deutsche Nationalmannschaft wieder Eishockey-Geschichte geschrieben. Erinnerungen an Olympia 2018 werden wach.
Nach einem Ständchen für Geburtstagskind Matthias Plachta um Mitternacht und einem Stückchen Torte gönnten sich die deutschen Eishockeyspieler um Topspieler Leon Draisaitl ein paar Bier auf ihren historischen WM-Start. Und manch einer dachte bei der kleinen Feier für den Mannheimer Stürmer im Teamhotel an das olympische Silbermärchen vor 15 Monaten. „Der Ballon ist voll aufgepumpt. Du merkst in der Kabine: Sie wollen mehr. Das erinnert mich an Pyeongchang“, sagte Präsident Franz Reindl vom Deutschen Eishockey-Bund (DEB) nach dem dramatischen 3:2 gegen den WM-Gastgeber Slowakei und dem praktisch sicheren Einzug ins Viertelfinale: „Sie wollen immer mehr.“
Dank des Siegtors von Draisaitl 27 Sekunden vor Schluss schreiben die deutschen Puckjäger schon wieder die Eishockey-Geschichtsbücher neu: Mit vier Siegen in eine WM startete Deutschland zuletzt 1930 – als die Eishockeylegende „Justav“ Jaenecke die Mannschaft bis ins Finale im Berliner Sportpalast führte. „Das ist sehr, sehr lange her“, meinte Draisaitl, „es fühlt sich super an.“
Bis zu einer Medaille wie damals ist der Weg in der Slowakei allerdings noch sehr weit. Doch die Silbersensation von Südkorea im Februar 2018 hat selbstbewusst gemacht. „Wie es bei Olympia auch war: Wenn wir einen Sahnetag haben und alles zusammenpasst, können wir die auch schlagen“, sagte Verteidiger Yannic Seidenberg, einer von elf verbliebenen Olympiahelden, mit Blick auf die hochkarätigen nächsten Gegner.
Das Viertelfinale und damit die direkte Qualifikation für die Winterspiele 2022 in Peking sind der DEB-Auswahl nur noch theoretisch zu nehmen. Gegen Kanadas NHL-Auswahl am Samstag (16.15 Uhr), den schwächelnden Mitfavoriten USA am Sonntag (16.15 Uhr) und zweimaligen Weltmeister Finnland am Dienstag (12.15 Uhr/alle Sport1) geht es in den restlichen Vorrundenspielen darum, sich eine möglichst gute Ausgangsposition für die K.o.-Runde zu sichern. Noch ist die deutsche Mannschaft aufgrund des leichteren Auftaktprogramms Tabellenführer der Gruppe A.
„Jetzt kommen die schweren Brocken“, meinte NHL-Verteidiger Korbinian Holzer: „Da können wir ein bisschen locker durch die Hose atmen.“ Der Druck ist weg, der Spaß beginnt – wie nach dem Viertelfinaleinzug bei Olympia. Den Geist von Pyeongchang spürte auch Draisaitl, der beim größten Erfolg in der deutschen Eishockey-Geschichte wegen des NHL-Boykotts zuschauen musste. „Die Jungs ziehen an einem Strang. Es macht wirklich Spaß, Teil dieser Mannschaft zu sein“, sagte der Stürmer der Edmonton Oilers.
Ein Geniestreich des 23-Jährigen, in dieser Saison mit 50 Toren und 105 Scorerpunkten zum NHL-Superstar aufgestiegen, hatte das Nervenspiel im Hexenkessel von Kosice entschieden. Bis dahin in seinen Aktionen eher unglücklich und erfolglos, schnappte sich Draisaitl den Puck, zog aufs Tor und schlenzte den Puck an Verteidiger und Torwart vorbei ins Netz. „Im Rest des Spiels habe ich eigentlich nichts wirklich Gutes hinbekommen“, gab der Matchwinner zu, „da habe ich mir gedacht, eine gute Aktion muss ich noch irgendwie zustande bringen.“ Sie führte die deutsche Mannschaft in die K.o.-Runde und lässt sie von einem weiteren Coup träumen. Bundestrainer Toni Söderholm aber wollte noch nicht über eine Medaille reden: „Das ist zu früh. Es ist noch zu viel Eishockey zu spielen.“