Verschiebung der Olympischen Spiele Tokio beugt sich schon, das IOC (noch) nicht

Tokio · Termin der Olympischen Sommerspiele im Juli/August ist kaum noch zu halten. Kanada und Australien sagen Teilnahme bereits ab.

 Vor dem Gebäude der Stadtregierung von Tokio mit dem Logo der Olympischen Spiele 2020 steht ein Verbotsschild.

Vor dem Gebäude der Stadtregierung von Tokio mit dem Logo der Olympischen Spiele 2020 steht ein Verbotsschild.

Foto: dpa/Stanislav Kogiku

Der weltweite Aufschrei gegen eine planmäßige Ausrichtung der Olympischen Spiele in Tokio hat jetzt auch in Japan Gehör gefunden. „Wir sind nicht so blöd, die Olympischen Spiele wie geplant auszutragen“, sagte Yoshiro Mori, der Präsident des Organisationskomitees von Tokio, am Montag. Auch Premierminister Shinzo Abe spricht angesichts der Ausmaße der Coronavirus-Pandemie von einer Verschiebung. „Es ist schwierig, Spiele unter diesen Umständen abzuhalten. Wir müssen über eine Verschiebung entscheiden, wobei die Gesundheit der Athleten oberste Priorität hat“, sagte Abe. Die endgültige Entscheidung aber liege beim Internationale Olympische Komitee (IOC), das sich dafür eine Frist von vier Wochen gesetzt hat. Der Gastgeber signalisierte die Bereitschaft, vom Tokio-Termin abzurücken, nicht aber vom Fackellauf: Der soll am Donnerstag in Fukushima beginnen.

Viele Athleten drängen auf eine schnellere Entscheidung und ein Ende der Hängepartie – wie Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler. Vier Wochen seien „ein sehr, sehr langer Zeitraum“, sagte der Jenaer. „Wir arbeiten aktuell daran, dass noch schnellere, noch präzisere Entscheidungen getroffen werden“, sagte der Athletenvertreter im Leichtathletik-Weltverband. Der ist bereit, die für 2021 nach Eugene/USA vergebene WM im Falle der Verlegung der Tokio-Spiele ins nächste Jahr zu verschieben.

Heftige Kritik übte die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestages an der Vier-Wochen-Frist des IOC. „Ich finde die Entscheidung respektlos gegenüber den Athleten und angesichts der Lage auf der Welt verantwortungslos“, sagte Dagmar Freitag (SPD). Diese Hinhaltetaktik produziere „einen massiven Vertrauensverlust“ und zeige „ein eklatantes Führungsversagen“.

In einer persönlichen E-Mail an die Athleten warb IOC-Chef Thomas Bach erneut um Verständnis, dass eine endgültige Entscheidung über den Termin für die Tokio-Spiele – eine Verschiebung in den Herbst oder ins nächste Jahr – jetzt verfrüht wäre. „Ich weiß, dass diese beispiellose Situation viele Ihrer Fragen offen lässt“, schrieb Bach: „Ich weiß auch, dass dieser rationale Ansatz möglicherweise nicht mit den Emotionen übereinstimmt, die viele von Ihnen durchleben müssen.“

Kanadas Olympisches Komitee (COC) erhöhte derweil den Druck auf das IOC und gab bekannt, dass man in diesem Sommer wegen der Corona-Krise auf eine Entsendung von Sportlern verzichten werde. „Das ist kein Boykott“, sagte Kommunikationsdirektor Photi Sotiropoulos. Das Paralympische Komitee Kanadas entschied gleichermaßen für die Paralympics. Auch die Australier schlossen eine Teilnahme zum ursprünglichen Zeitpunkt aus.

Martin Engelhardt, Mediziner und Präsident der Deutschen Triathlon-Union (DTU), hat hingegen Verständnis für die zögerliche Haltung des IOC. Er könne das ein Stück weit verstehen, sagte der DTU-Chef. „Aus medizinisch-fachlicher Sicht kann man heute nicht sagen, dass Sport im Juli nicht möglich sein wird“, erklärte Engelhard. Dagegen meinte Thomas Kurschilgen, der Leistungssportdirektor der deutschen Schwimmer: „Vieles spricht für eine Verschiebung des Termins.“

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wird an diesem Dienstagabend mit seinen Sportfachverbänden über eine mögliche Verschiebung der Tokio-Spiele in einer Telefonkonferenz beraten. Außerdem läuft eine vom DOSB initiierte Abstimmung von rund 600 für Olympia qualifizierte Athleten oder potenzielle Kandidaten, ob sie an den Spielen wie geplant oder an einem alternativen Termin teilnehmen wollen. Weltklasse-Fechter Max Hartung hat eine Teilnahme im Sommer bereits ausgeschlossen.

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