Skispringen Die Zukunft heißt wohl Mattenspringen

Bischofshofen · Schnee war bei der 68. Vierschanzentournee ein kostbares Gut. In Zeiten des Klimawandels wird sich das nicht ändern.

 Die mit Schnee überzogene Skisprunganlage der Arena in Oberstdorf steht in der ansonsten fast schneelosen Landschaft.

Die mit Schnee überzogene Skisprunganlage der Arena in Oberstdorf steht in der ansonsten fast schneelosen Landschaft.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Oberstdorf kratzte Schnee von Parkplätzen zusammen, Innsbruck begann die Schanzen-Präparierung bei 17 Grad, auch an den übrigen Stationen in Garmisch-Partenkirchen und zum Abschluss in Bischofshofen prägten grüne Bäume statt weißer Bergwelten das Bild: Schnee war bei der 68. Vierschanzentournee ein kostbares, weil immer selteneres Gut. „Natürlich machen wir uns Sorgen“, sagte Norwegens Cheftrainer Alexander Stöckl, der in Zeiten des Klimawandels wie viele Kollegen um die Zukunft des Skispringens fürchtet.

Dabei geht es den Weitenjägern noch vergleichsweise gut: Zwar fiel während der fast zweiwöchigen Tournee keine einzige Flocke vom Himmel, dank Kunstschnee, der inzwischen bewährten Eisspuren und „Schnee von gestern“ aus dem Umland war kein einziger Wettkampf in Gefahr. Theoretisch könnte Skispringen in Zukunft sogar zur Sommersportart werden: Längst gibt es stets ab August eine Serie an Mattenspringen, die bis zu 10 000 Zuschauer an die Schanzen lockt.

Wird die Tournee also bald auf Matten ausgetragen? Stöckl will das nicht ausschließen. „Man sagt, Skispringen soll in einer Winterlandschaft stattfinden. Aber ich glaube, das können wir uns abschminken“, sagte der Österreicher der Tiroler Tageszeitung. Seine Prognose: „Der Internationale Skiverband wird sich irgendwann überlegen müssen, auf Mattenspringen umzustellen. Das ist eine Grundsatzentscheidung.“

Tatsächlich gibt es bereits weiße, beschichtete Matten, die dem Schneegefühl nahe kommen und auf Schanzen mit Weiten bis zu 70 Metern getestet werden. Ob Fans jedoch im Winter wirklich „Plastik-Wettkämpfe“ sehen wollen, ist fraglich. „Dann geht sicher viel verloren von der Stimmung. Damit müssen wir leben, denn es wird nicht mehr besser, nur noch schlechter“, sagte Stöckl.

Neu ist eine Tournee ohne Schnee indes nicht. „In Oberstdorf haben wir uns früher schon zwischen den Krokussen aufgewärmt“, sagte Österreichs Cheftrainer Andreas Felder. Auch Weltmeister Markus Eisenbichler meinte: „Wenn ich meinen Vater frage, sagt er, früher hat es auch schon so Winter gegeben.“ Doch der Trend ist nicht zu verleugnen. „Das Klima ist wärmer geworden, das ist einfach so“, sagte Eisenbichler.

Das bestätigen auch die nackten Zahlen. Alle zehn Jahre wird die Schneesaison um mehr als fünf Tage kürzer, stellte der Weltklimarat im September fest. Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts nehmen auf der Nordhalbkugel Schneefälle ab. In der laufenden Weltcupsaison war das in Wisla, Klingenthal und Engelberg zu sehen, nirgends lag abseits der Schanze Schnee. Einzig am finnischen Polarkreis in Kuusamo sowie im russischen Nischni Tagil kam so etwas wie Winterstimmung auf.

Während Innsbruck das Bergiselspringen mit 246 Lkw-Ladungen Schnee rettete, müssen kleinere Ausrichter kapitulieren. Im Continental Cup, der zweiten Liga des Skispringens, fielen zuletzt die Wettkämpfe in Engelberg und Titisee-Neustadt aus. Anders als die alpinen Kollegen können die Springer auch nicht in höhere Lagen ausweichen. Die höchstgelegene Weltcupschanze steht derzeit im italienischen Predazzo auf 1018 Metern.

Und so sieht die Zukunft im Skispringen wenig rosig aus. „Man glaubt immer noch: Nächstes Jahr wird sicher wieder ein besserer Winter“, sagte Alexander Stöckl schon im Dezember in Engelberg, das Thermometer zeigte 17 Grad: „Aber nein, wird es nicht.“

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