In der Corona-Krise Trainer kämpfen ums finanzielle Überleben

Köln · Athleten leiden, Verbände und Vereine bangen – am Schlimmsten könnte die Coronakrise jedoch die Übungsleiter treffen.

 Dieser Trainer bietet in der Corona-Krise online Trainingseinheiten an. Eine Dauerlösung ist das für viele aber nicht. Die aktuelle Lage könnte die Übungsleiter quer durch alle Sportarten am härtesten treffen.

Dieser Trainer bietet in der Corona-Krise online Trainingseinheiten an. Eine Dauerlösung ist das für viele aber nicht. Die aktuelle Lage könnte die Übungsleiter quer durch alle Sportarten am härtesten treffen.

Foto: dpa/Jonas Walzberg

Deutschlands Spitzenathleten ächzen unter den Auswirkungen der Coronakrise, für tausende Trainer wird die Pandemie aber erst recht existenzbedrohend. Weil den oft auf Honorarbasis geringbezahlten und mit Kurzverträgen ausgestatteten Machern die Geschäftsgrundlage wegbricht, schrillen im deutschen Sport die Alarmglocken. Und Top-Athleten wie Thomas Röhler rufen zu schneller Hilfe auf.

„Hier muss jetzt genauso schnell wie für uns Sportler Sicherheit geschaffen werden. Ich sehe hier definitiv den Deutschen Olympischen Sportbund und das Bundesministerium in der Pflicht“, sagt der Speerwurf-Olympiasieger, der auch Athletensprecher im Leichtathletik-Weltverband IAAF ist: „Das ist eine klare Forderung, denn sonst gibt es die nächste Lücke in der Sportpyramide.“

Die Virenkrise droht zur bundesweiten Trainerkrise zu werden, die alle Alters- und Leistungsklassen betrifft – vom kleinen Übungsleiter beim Mutter-Kind-Turnen bis hin in die obersten Olympia-Kader. Bei einer Umfrage des Berufsverbandes der Trainer/Trainerinnen im Deutschen Sport (BVTDS) unter 100 Bundestrainern äußerten gut zwei Drittel Sorgen um ihren Arbeitsplatz.

„Bei den Berufstrainern trifft die Krise vielfach auf eine ohnehin schon kritische Situation. Der Trainermarkt gehört zu den Branchen, denen es auch vor der Krise nicht so gut ging“, sagt BVTDS-Präsident Holger Hasse. Schon für Spitzensportler sind öffentliche Zuwendungen oder Zahlungen der Vereine teilweise nicht kostendeckend. Bei Trainern kommt oft weit weniger an.

„Es gibt gerade im Leistungssport extrem viele Stellen, in denen wir prekäre Verhältnisse haben. Das fängt damit an, dass die meisten Stellen im olympischen Zyklus befristet sind“, sagt Hasse. Der frühere Badminton-Bundestrainer hat bei Olympia 2016 in Rio erlebt, „dass Kollegen, die dort mit ihren Athleten Erfolge erzielt haben, nach Hause kamen und sich arbeitssuchend melden mussten. Diese Trainer hatten durch Kettenverträge zum Teil drei, vier Verlängerungen bekommen und wussten nach Olympia nicht, wie es für sie weitergeht.“

Das war der Normalzustand ohne Corona. Dass die Seuche diese missliche Lage dramatisch verschärft, veranlasst auch Hasse zum eindringlichen Appell: „Wichtig ist, dass die zugesagten Unterstützungsmaßnahmen schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Es ist bereits fünf nach zwölf, denn die Einnahmen für die selbstständigen Trainer sind durch die Anordnungen der Kommunen und Länder von heute auf morgen weggebrochen.“

Die Schließung von Sportstätten in der Krise nimmt vielen Honorartrainern die teils einzige Möglichkeit zum Broterwerb. Die Folge: Wer noch kann, sucht berufliches Glück und Auskommen abseits des Sports, damit fehlen gut ausgebildete Kräfte in der Nachwuchsförderung – dies könnte sich auf längere Sicht im Abschneiden bei sportlichen Großereignissen niederschlagen.

Vor allem der Fußball leidet. 150 000 Mannschaften aus 24 500 Clubs nehmen am DFB-Spielbetrieb teil – entsprechend viele Trainer und Übungsleiter sind betroffen. „Vielleicht stehen wir erst am Anfang eines Desasters. Je länger die Krise dauert, desto bedrohlicher wird es. Vor allem für jene, die mit ihrer Trainertätigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen“, sagt Lutz Hangartner, Präsident des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL).

Schon in Liga vier beginnen laut Hangartner die Probleme: „Wenn du als Regionalliga-Trainer davon leben und eine Familie ernähren musst, kann es eng werden. Da wird teilweise gut bezahlt, etwa bei Clubs, die nach oben wollen. Aber noch mal eine Klasse tiefer: Die haben schlechte Karten.“

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und der BDFL haben am vergangenen Freitag zumindest ein erstes Signal gesetzt. Der Verlängerungs-Zeitraum auslaufender Trainerlizenzen wird übergangsweise von derzeit drei Jahren um ein zusätzliches Jahr ausgedeht. Die Trainer müssen dafür auch keine Fortbildung absolvieren. „Wir reagieren in möglichst unbürokratischer Form auf zahlreiche Fortbildungs-Veranstaltungen, die wegen der Coronakrise nicht stattfinden durften und damit hunderten Trainern die Möglichkeit nahmen, ihre notwendigen Einheiten zur Lizenzverlängerung zu absolvieren“, sagt Markus Nadler, Abteilungsleiter Trainer Aus-, Fort- und Weiterbildung der DFB-Akademie.

Ziel sei es, sagt Nadler, „im Jahr 2020 noch möglichst viele Lerneinheiten anzubieten und 2021 das Fortbildungsprogramm so weit wie möglich auszudehnen, damit alle Trainer problemlos ihrer Fortbildungsverpflichtung nachkommen können.“ Durch den Beschluss werden alle Trainerlizenzen, die zum 31. Dezember 2020 auslaufen, erst am 31. Dezember 2021 ungültig.

Aber selbst wenn (Sport-)Deutschland mit einem blauen Auge in der Coronakrise davonkommt: Das Problem der prekär bezahlten Trainer wird bleiben, und es könnte vielversprechenden Jungsportlern den Weg blockieren. „Wie wollen wir erwarten, dass junge Talente optimal gefördert werden, wenn Trainer mit einem Honorar von 200 Euro abgespeist werden? Das kann nicht funktionieren“, sagt Hindernis-Europameisterin Gesa Felicitas Krause. Ein Umdenken wird auch in der Zeit nach Corona bitter nötig sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort