Skispringen Ruhe bewahren in einer ruhelosen Zeit

Klingenthal · Zwei Wochen vor der Vierschanzentournee sind die deutschen Skispringer kaum konkurrenzfähig. Jetzt steht ein Heim-Weltcup an.

 Skispringer Markus Eisenbichler (rechts) ist von seiner Form der vergangenen Saison Lichtjahre entfernt.

Skispringer Markus Eisenbichler (rechts) ist von seiner Form der vergangenen Saison Lichtjahre entfernt.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Karl Geiger mitten in der Weltspitze, dahinter viel Mittelmaß und ein Dreifach-Weltmeister in tiefer Schaffenskrise: Nach den ersten Wettkampfwochen fällt die Bilanz des neuen Skisprung-Bundestrainers Stefan Horngacher sehr durchwachsen aus. Wenn knappe zwei Wochen vor der Vierschanzentournee mit dem Heim-Weltcup in Klingenthal (Vogtland) an diesem Wochenende die heiße Saisonphase beginnt, muss der Österreicher vor allem auf Geigers Topform bauen – und Markus Eisenbichler wieder aufrichten.

„Karls zweiter Platz in Nischni Tagil war eine Supersache. Das macht vieles leichter, weil es Vertrauen schafft“, sagt Horngacher. Aber auch er weiß: Ohne Geiger, der in allen vier Einzelspringen der Saison klar bester DSV-Adler war, würde es für das deutsche Team düster aussehen – außer dem Vizeweltmeister hat nur noch der junge Constantin Schmid (Siebter in Nischni Tagil) eine Platzierung unter den besten Acht vorzuweisen.

Wäre Horngacher hauptamtlicher Übungsleiter in der Fußball-Bundesliga, es würde nun schon ein Stück weit ungemütlich für den 50 Jahre alten Tiroler. Im Deutschen Skiverband erhält Horngacher, der als polnischer Meistermacher seine große Trainerklasse bereits nachgewiesen hat, aber alle Zeit der Welt, in die großen Fußstapfen seines Vorgängers Werner Schuster zu treten.

„Ich hoffe, dass wir uns bis Klingenthal stabilisieren können. Wir müssen in Ruhe weiterarbeiten“, sagt Horngacher. Nur: Ruhe ist in der für Skispringer nicht wirklich besinnlichen Vorweihnachtszeit kaum vorgesehen. Nach den beiden Springen in Klingenthal (Samstag im Team, Sonntag Einzel) steht schon die Tournee-Generalprobe in Engelberg/Schweiz (21. und 22. Dezember) an, noch an Weihnachten versammelt sich die deutsche Reisegruppe am Vier-Schanzen-Ausgangspunkt Oberstdorf.

Bis dahin will auch Eisenbichler konkurrenzfähig sein, doch das scheint derzeit zumindest fraglich: Nur einmal in vier Springen überstand der Triumphator der Vorsaison den ersten Durchgang – und dies im finnischen Kuusamo auch nur aufgrund von Disqualifikationen. „Das Selbstbewusstsein ist gerade nicht da, ich hadere ein bisschen“, sagt er. Ein bisschen viel sogar.

Hinter Geiger und Eisenbichler sind die Alternativen rar: Teamweltmeister Richard Freitag hat sich auf einem Niveau um Platz 15 einge­pegelt, der Tourneedritte des Vorjahres, Stephan Leyhe, findet nur langsam Anschluss. Die zweite Reihe um den jungen Schmid und den unverwüstlichen Pius Paschke ist (noch) nicht bereit für höhere Aufgaben.

Die langfristigen Ausfälle von Andreas Wellinger, Severin Freund und David Siegel – nur Freund könnte in diesem Winter noch Wettkämpfe bestreiten – schmerzen. Dass bis zur Skiflug-WM Ende März kein Teamspringen von gesteigerter Bedeutung ausgetragen wird, ist für Horngacher fast schon ein Segen.

Auch wenn dieser die Quervergleiche mit seinem Vorgänger nicht gerne mag: Die Ära Schuster in Deutschland begann einst mit einem am Boden liegenden Team noch deutlich holpriger. Zwei dritte Plätze von Martin Schmitt im Weltcup und dessen Weltmeisterschafts-Silber 2009 waren die Höhepunkte in Schusters Debütsaison, der Tiefpunkt der historisch schlechte zehnte Platz im WM-Teamspringen.

„Ich weiß nicht, ob ich ohne Martins Medaille Bundestrainer geblieben wäre“, sagte Schuster einst – damals war es ein ganz anderes Sorgenniveau im deutschen Skispringen als vor Klingenthal 2019.

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