Wegen Olympia-Verschiebung Der Domino-Effekt ist nicht aufzuhalten

Frankfurt · Die Olympia-Verschiebung ins Jahr 2021 bringt den gesamten Sportkalender ins Wanken. Die Leichtathletik ist ein Parade-Beispiel.

 Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo weiß noch nicht, wie ihr Terminkalender in den nächsten zwei, drei Jahren aussehen wird.

Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo weiß noch nicht, wie ihr Terminkalender in den nächsten zwei, drei Jahren aussehen wird.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Der erste Dominostein fiel am Tag nach der Bekanntgabe des neuen Olympia-Termins. Die für den 23. April vorgesehene Einkleidung von Team Deutschland wurde abgesagt. In der Zeit vor Corona war die Frage, mit welcher Kleidung deutsche Athleten bei Sommerspielen antreten, durchaus von Interesse. Jetzt aber drängen sich ganz andere, existenzielle Fragen auf, die sich durch die offizielle Verschiebung der Tokio-Spiele um ein Jahr ergeben.

Sorgen bereitet zum einen das Terminchaos, das im Sommer 2021 und auch im Jahr darauf unausweichlich droht. Zum anderen bangen manche Verbände, die zu sehr am Tropf des IOC hängen, um ihre Existenz. Das Internationale Olympische Komitee scheint aber (noch) nicht gewillt zu sein, den großen Rettungsschirm aufzuspannen.

„Es gibt in dieser Lage keine guten Lösungen, sondern nur Lösungen“, sagt Thomas Weikert. Der deutsche Präsident des Tischtennis-Weltverbandes ITTF bestätigt das Bestreben im Weltsport nach einer finanziellen Hilfe durch die Ringe-Organisation. „Ich weiß aus Gesprächen, dass einige Verbände das IOC um eine Art Vorschuss bitten wollen“, sagt Weikert: „Wenn sich das IOC dazu entschließt, hier etwas zu unternehmen, würde ich es begrüßen. Wenn ich das richtig sehe, hat sich das IOC Rücklagen erwirtschaftet.“

Laut Medienberichten überlegen einige Nationale Olympische Komitees (NOK), vom IOC Entschädigungen und Sonderzahlungen aus dem Fonds „Olympische Solidarität“ einzufordern. Bei zwölf von 28 Weltverbänden würden die IOC-Tantiemen mindestens 50 Prozent der Gesamteinnahmen betragen.

Der italienische Top-Funktionär Francesco Ricci Bitti trug dieses Thema bei einer Konferenz kürzlich vor. IOC-Präsident Thomas Bach soll ihm geantwortet haben, man werde es „Fall für Fall“ abarbeiten. „Ich übersetze das für mich so: Eine allgemeine Regelung wollen sie eigentlich nicht“, sagt Weikert.

Für die Tokio-Spiele sollen laut Berichten jeweils 590 Millionen Dollar an die 28 permanenten Fachverbände und die 205 NOKs verteilt werden. Ohne das Geld aus der Durchführung der Sommerspiele in diesem Jahr könnte jedoch zumindest die Finanzierung des kommenden Olympia-Zyklus stocken.

Zu den betroffenen Weltverbänden sollen unter anderem die aus dem Kanu, Turnen, Boxen, Fechten, Ringen und Modernen Fünfkampf zählen. Klaus Schormann, Weltverbands-Präsident der Fünfkämpfer, betont jedoch: „Wir haben einen gesunden Haushalt.“ Für die nun problematischere Finanzierung, sagt Schormann, „gibt es immer Wege“.

Aber diese Wege führen immer wieder zurück zum IOC, das gerne darauf verweist, 90 Prozent der Einnahmen aus einem Olympia-Zyklus an den Weltsport weiterzuleiten. Für Bach ergibt sich nun eine Chance, seine Macht zu sichern, die durch seine zögerliche und viel kritisierte Haltung bei der Olympia-Verschiebung zu bröckeln schien.

Geld verdienen die Weltverbände natürlich auch mit ihren Events, doch wegen der Olympia-Verschiebung werden 2021 mit Sicherheit nicht alle Titelkämpfe stattfinden können – zumindest nicht mit allen Stars. Ein Parade-Beispiel für das drohende Durcheinander ist die Leichtathletik: Der Weltverband IAAF will seine WM in Eugene im US-Bundesstaat Oregon um ein Jahr verschieben. Aber das ist nicht so einfach, denn die WM könnte dann im Jahr 2022 mit der EM in München kollidieren, die vom 11. bis 21. August Kernveranstaltung der European Championships sein soll – und gerade für die deutschen Athleten um Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo oder Zehnkampf-Weltmeister Niklaus Kaul ein Karriere-Höhepunkt wäre.

Und für 2023 ist die Leichtathletik-WM bereits an Budapest vergeben (26. August bis 3. September). „Wir stehen diesbezüglich in Diskussionen mit den Commonwealth Games und den European Championships“, teilte die IAAF am Mittwoch mit.

Eine Kollision mit den European Championships würde 2022 auch den Schwimmern bei einer entsprechenden Verlegung der für 2021 geplanten WM in Fukuoka/Japan drohen, die EM der Wassersportler findet in Rom statt. 2022 sollen zudem in Birmingham die Commonwealth Games (27. Juli bis 7. August) sein. Klar ist: Der Domino-Effekt ist nicht aufzuhalten. Die Frage ist, was als nächstes fällt.

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