Turn-WM Biles versetzt die Schleyer-Halle in Ekstase

Stuttgart · Die US-Amerikanerin liefert bereits in der Qualifikation eine unglaubliche Turn-Show ab. Die Fans in Stuttgart sind völlig aus dem Häuschen.

 Die US-Amerikaner Simone Biles turnt wie von einem anderen Stern. Bei der WM in Stuttgart ist sie die größte Attraktion.

Die US-Amerikaner Simone Biles turnt wie von einem anderen Stern. Bei der WM in Stuttgart ist sie die größte Attraktion.

Foto: dpa/Marijan Murat

Jeder will sie sehen. Schon beim offiziellen Podiumstraining sind 1000 Zuschauer in der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle. Das 1,42 Meter kleine Persönchen hat gerade den ersten Fuß in den Innenraum gesetzt, da hält es die Fans von acht bis 80 Jahren schon nicht mehr auf den Sitzen. Spitze Schreie, rhythmisches Klatschen, Wettkampf-Atmosphäre ohne Wettkampf. Simone Biles, ganz in glitzerblau gehüllt, lächelt huldvoll zurück und winkt einmal kurz.

Und am Samstagabend ist alles noch mal eine Nummer größer. Und der Superstar lässt sich nicht lange bitten. Biles liefert unter dem Getöse der rund 8000 Fans in der ausverkauften Schleyer-Halle eine unglaubliche Turn-Show ab – und sie zeigt ihren „Triple-Double“ am Boden, einen Doppelsalto rückwärts mit drei Schrauben. Das Element wird künftig den Namen der Olympiasiegerin tragen, weil sie das spektakuläre Element als erste Turnerin der Welt bei einer internationalen Großveranstaltung in den Stand bringt. Für ihre Bodenübung erhält die 22-Jährige aus Ohio den Top-Wert von 14,833 Punkten. Am Ende führte Biles das Team des Titelverteidigers USA mit 174,605 Punkten wie erwartet auf Platz eins vor China (169,161) und Russland (168,080).

Unter das euphorisierte Stuttgarter Publikum sollen sich auch Opa Ron und Oma Nellie gemischt haben. Bei ihnen wuchs die 22-Jährige auf, weil ihre drogenabhängige Mutter nicht für sie sorgen konnte. Der Großvater kümmert sich jetzt um Simones geschäftliche Dinge, seine Frau um das seelische Gleichgewicht der mittlerweile als Tochter adoptierten jungen Frau.

Kein leichter Job angesichts der Geschehnisse um die Mehrkampf-Olympiasiegerin von Rio de Janeiro von 2016. Auch Biles wurde vom langjährigen US-Teamarzt Larry Nassar mehrfach sexuell missbraucht, erst im August ihr zwei Jahre älterer Bruder Tevin wegen Mordes und versuchten Totschlags angeklagt. Über all dies spricht Biles in Stuttgart nicht.

Großmutter Nellie hat aber schon indirekt angedeutet, dass sich Biles zumindest von der über Jahre antrainierten extrem reduzierten Ernährung lösen konnte. „Wenn der Wettkampf vorbei ist, isst Simone gerne Pizza oder mal ein Eis“, sagt sie grinsend. Noch aber steht gesunde Sportlernahrung auf ihrem Ernährungsplan, so wie nach dem überzeugenden ersten WM-Auftritt. Auch wenn Biles danach eigentlich mehr als Salat, Obst und Mineralwasser verdient hat.

Biles zieht bei jeder Übung voll durch. Kein Wanken, kein Weichen. Abgang vom Gerät in den sicheren Stand – und aus der Halle mit Riesenapplaus. Die schwäbischen Gaumenfreuden müssen warten bis zum 13. Oktober. Dann enden die Weltmeisterschaften für Biles und alle anderen Athleten mit einem feucht-fröhlichen Abschluss auf dem Cannstatter Wasen. Und, wenn sie mag, auch mit Maultaschen und Spätzle. Die ein oder andere Goldmedaille wird Simone Biles dann ganz sicher um den Hals hängen haben.

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