Rallye-WM Rallye-Fahren ist auch was für Angsthasen

Heute startet die Deutschland Rallye mit dem Rundkurs auf der Wilhelm-Heinrich-Brücke in Saarbrücken. Wie es sich in einem Rallye-Wagen anfühlt? Verdammt schnell. Und spektakulär.

Rallye-WM: Rallye-Fahren ist auch was für Angsthasen
Foto: SZ/Robby Lorenz

Auf das Frühstück habe ich an diesem Morgen lieber verzichtet. Mir ist etwas flau im Magen. Eine Wiese irgendwo im Nirgendwo, nahe des rheinland-pfälzischen Ortes Rohrbach, an der Grenze zum Saarland. Tolle Landschaft, denke ich mir. Der Versuch, mich abzulenken. Fehlstart. In meinem Kopf: Oh Gott, hoffentlich überlebst du das.

Ich sehe die Rennanzüge nebeneinander auf einer Stange hängen. Ihr Anblick macht mich nervös. Das Rallye-Auto habe ich noch gar nicht gesehen. Zum Glück. Ich steige hinein in den Riesenstrampler. Nestele am Reißverschluss herum. Meine Hand zittert. Mit Mühe und Not geht er zu. Sturmhaube auf, Helm in die Hand und ab zum Auto. Geile Karre, denke ich mir. Der zweite Ablenkungsversuch – er scheitert wieder. In diesem Käfig werde ich gleich gefangen sein. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Da ist mein Fahrer Marijan Griebel. Er wirkt vertrauensvoll. Professionell. Das beruhigt mich. „Mach sanft, sie hat arg Angst“, sagt die Betreuerin zu Griebel. Pfff, so schlimm ist es jetzt auch nicht, denke ich. Und klettere in das Auto. Will es ihr beweisen. Griebel beweisen. Und vor allem mir selbst. Unter meinem Hintern vibrieren 300 PS. Ein letztes Mal fragt mich der Fahrer, ob alles okay ist. Wenn der Motor aufheult, helfen nur noch Handzeichen. Wir vereinbaren eins, falls ich vor dem Nervenzusammenbruch stehe. Ob er das mit allen Mitfahrern so macht? Oder nur mit den Angsthasen?

Wir nehmen die Startposition auf dem schmalen Feldweg ein. Endlich setzt mein Hirn aus. Und dann drückt Griebel das Gaspedal durch. Die ersten Sekunden schnüren mir die Kehle zu. Atmen nicht vergessen. Es presst mich in den Sitz. Wie auf der Achterbahn. Bevor ich realisieren kann, was hier gerade passiert, sind wir schon um die erste Kurve. Einen Berg hoch. Schalten, lenken. Hektisch, aggressiv. Ich sehe nicht, wie die Strecke weitergeht. Ich hoffe, mein Fahrer kennt sie. Wir brettern auf Bäume und Zäune zu. Bitte, ich will nicht am Baum kleben. Ich bete. Im letzten Moment reißt Griebel das Lenkrad rum. Mein Kopf wird hin und her gedrückt.

Das Auto driftet in den Kurven. Griebel hat es im Griff. An der Strecke nehme ich Schaulustige in Campingstühlen wahr. Nach dem dritten Baum, der auf mich zufliegt, werden meine Oberschenkel lockerer. Die Finger krallen sich nicht mehr ganz so fest in sie hinein. Unterm Rennanzug kitzelt mich der Angstschweiß.

Eine Gerade mit Kuppe. Das Auto hebt kurz vom Boden ab. Jetzt bin ich im Sog. Ich grinse wie ein Kind, das seine Carrera-Bahn unter dem Weihnachtsbaum auspackt. Dämlich. Aber meine Mundwinkel können nicht anders. Das Glücksgefühl hält sie oben. Falls wir doch am Baum enden, hat es sich gelohnt. Dann war ich die Größte. Der Angsthase auf meiner Schulter ist geschrumpft, aber noch da. Ich werde mutiger, will mehr. Mehr Kurven. Mehr Kuppen. Mehr Tempo. Aber wir werden langsamer. Der enge Feldweg breiter. Das war es schon. Dreieinhalb Kilometer. Keine fünf Minuten. Und dafür habe ich mir so ins Hemd gemacht? Lächerlich. Nächstes Mal ohne schlotternde Knie. Sage ich mir jetzt. Mein Frühstück kann ich mir danach jedenfalls schmecken lassen. Und sicher sein, dass es drinnen bleibt.

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