U21-Europameisterschaft U21 feiert Coup von Krakau, Kuntz bleibt Trainer

Krakau · Nach dem 1:0-Finalsieg gegen Spanien kannte der Jubel der deutschen U21-Europameister keine Grenzen mehr.

 Auf dem Podium jubelten die deutschen U21-Europameister um den saarländischen Trainer Stefan Kuntz über den Titel. Beim 1:0-Finalsieg gegen Spanien überzeugte das Team taktisch und kämpferisch vollends.

Auf dem Podium jubelten die deutschen U21-Europameister um den saarländischen Trainer Stefan Kuntz über den Titel. Beim 1:0-Finalsieg gegen Spanien überzeugte das Team taktisch und kämpferisch vollends.

Foto: dpa/Jan Woitas

() Stefan Kuntz genoss die Stille der Nacht. Als seine Spieler nach dem 1:0-Finalsieg am Freitagabend gegen Spanien durch die Clubs von Krakau zogen, nahm sich der DFB-Trainer im Teamhotel eine Flasche Rotwein und eine Zigarre und atmete erst einmal tief durch. „Ich habe ein wenig gebraucht, um das zu realisieren. Aber so langsam kommt es“, sagte Kuntz nach dem EM-Triumph mit der U21 in Polen, der ihm ganz nebenbei einen neuen Vertrag beim DFB sicherte.

Schon im Stadion hatte der Neunkircher trotz des Lärms um ihn herum die Ruhe gesucht. Wie einst Franz Beckenbauer nach dem WM-Triumph 1990 stand er nach dem Abpfiff alleine auf dem Rasen und beobachtete die wilde Party seiner Spieler aus sicherer Entfernung. Erst DFB-Präsident Reinhard Grindel riss ihn nach fast zwei Minuten aus den Gedanken.

Kuntz hatte auch genug Stoff zum Verarbeiten. Hinter dem 54-Jährigen liegt eine Reise, die vor zehn Monaten begann und nun mit dem Coup von Krakau einen kaum erwarteten Höhepunkt fand. „Meine Jungs singen zu sehen, tanzen zu sehen – das macht mich glücklich“, sagte der Europameister von 1996 gerührt.

Eine Stunde später lächelte Kuntz noch immer, als Grindel beim Empfang im Teamhotel Turowka eine kurze Rede vor den Spielern und ihren Familien hielt. „Lieber Stefan“, sagte Grindel, „ich würde mich freuen, wenn wir versuchen, die nächste Olympiade anzugehen und bis 2020 zusammenzuarbeiten. Das ist auch verdient, denn dieser Erfolg heute ist auch dein Erfolg.“ Die Zuhörer stimmten spontan „Stefan, Stefan“-Sprechchöre an.

Kuntz genoss die Rufe sichtlich. Auch, weil viele Kritiker ihm beim Amtsantritt einen derartigen Siegeszug kaum zugetraut hätten. „Als ich U21-Trainer geworden bin, ist die Idee nicht von allen Seiten mit Euphorie aufgenommen worden“, sagte Kuntz. Sein Vertrag lief nur bis zur EM, von einer „Probezeit“ war die Rede. Nun hat er die Meisterprüfung mit Bravour bestanden.

Als Belohnung wird in Kürze der neue Vertrag aufgesetzt, die Unterschriften sind nur Formsache. Wenn am 1. September die Qualifikation für die EM 2019 beginnt, sind nur noch sieben Akteure aus dem EM-Aufgebot spielberechtigt. Stefan Kuntz muss dann eine neue Mannschaft aufbauen.

Mit bengalischem Feuer und goldenem Konfetti war die Mannschaft im Teamhotel Turowka empfangen worden, wo die Mannschaft mit Freunden und Familie feierte. In Wieliczka fand so die ausgelassene Party ihre Fortsetzung, die in der Kabine ihren Anfang genommen hatte. „Das war ein kompletter Abriss. Die Kabine steht nicht mehr, glaube ich“, sagte Stürmer Davie Selke.

Grund zum Feiern gab es schließlich genug. Der Titel war zu Turnierbeginn zwar erhofft, aber nicht unbedingt erwartet worden. Kuntz musste insgesamt acht Akteure an Joachim Löw abgeben, der mit einer „zweiten U21“ zum Confed Cup reiste. Auch die Verletzung von Jonathan Tah kurz vor dem EM-Start steckte die U21 weg und holte mit einem starken Teamgeist den Pokal. Im Finale gegen Spanien gelang zum Abschluss die beste Turnierleistung.

Dabei überraschte es viele, dass die Deutschen gegen den hohen Favoriten mit einer taktischen und kämpferischen Meisterleistung sogar verdient gewannen. Der Held des Abends hielt sich derweil ein wenig zurück. Mitchell Weiser von Hertha BSC, der in der 40. Minute mit einer „Kopfball-Bogenlampe“ das einzige Tor des Spiels erzielt hatte, musste die 90 Minuten erst einmal sacken lassen. „Mir sind die Tränen gekommen. Das letzte halbe Jahr war nicht einfach“, sagte der lange verletzte Weiser.

 Torwart Julian Pollersbeck stellte die entscheidende Frage in Sachen Pokal: „Kann man da was reinschütten?“

Torwart Julian Pollersbeck stellte die entscheidende Frage in Sachen Pokal: „Kann man da was reinschütten?“

Foto: dpa/Jan Woitas

Partymacher Nummer eins war Julian Pollersbeck, der Stunden nach dem Spiel kein Torwart des 1. FC Kaiserslautern, sondern des Bundesligisten Hamburger SV war. Zuerst Europameister, dann ab dem 1. Juli HSV – so nah können Freud und Leid zusammenliegen, wurde im Internet gefrotzelt. Der Schlussmann stimmte nicht jugendfreie Lieder an, ehe er den EM-Pokal zum Trinkgefäß umfunktionierte. „Kann man da was reinschütten? Ein Pokal ohne Öffnung ist kein richtiger Pokal“, sagte Pollersbeck keck und kam nach kurzer Überlegung zu dem Ergebnis: „Da gehen bestimmt vier Liter rein.“ Und für diese Sätze wurde er in den sozialen Netzwerken so heftig gefeiert wie auch seine Mannschaft feierte.

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