Handball Ein Traditionsverein steht unter Schock

Gummersbach · Die Handballer des einst ruhmreichen VfL Gummersbach steigen erstmals nach 53 Jahren aus der Bundesliga ab.

 Nach dem Abstieg sitzen die Spieler des VfL Gummersbach niedergeschlagen und fassungslos am Spielfeldrand.

Nach dem Abstieg sitzen die Spieler des VfL Gummersbach niedergeschlagen und fassungslos am Spielfeldrand.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Die Nächte waren zu kurz, um all die Tränen zu trocknen. „Das ist bitter und schmerzt – auch für mich persönlich“, sagt Vereins-Ikone Heiner Brand. Der VfL Gummersbach steht noch immer unter Schock, ob des ersten Bundesliga-Abstiegs nach 53 Jahren herrscht rund um den Club eine Mischung aus Fassungslosigkeit, Entsetzen und tiefer Trauer.

„Es tut weh, wenn der eigene Verein abgeht“, sagt Brand, der noch immer große Mühe hat, die Fassung zu wahren, und spricht von einem „großen Verlust für die Handball-Bundesliga. Künftig fehlt ein großer Name.“ Um genauer zu sein: der letzte große (Gründungs-)Name.

Und während selbst Flensburgs Meistertrainer Maik Machulla die Situation rund um den Traditionsverein aus dem Bergischen Land, Altmeister und Heimatclub einiger der größten deutschen Handballer wie Brand, Hansi Schmidt, Joachim Deckarm und Erhard Wunderlich, als „unglaublich dramatisch“ einstuft, titelt Spiegel Online nach dem Herzschlag-Finale in der 1. Liga knallhart: „Tradition in Trümmern“.

Ein Törchen fehlte Gummersbach am Ende zur erneuten Last-Minute-Rettung. Das 25:25 bei der SG BBM Bietigheim reichte dem letzten Dino des deutschen Handballs nicht zum Überleben, weil die Eulen Ludwigshafen um den Ex-Saarlouiser Jerome Müller durch einen Treffer 28 Sekunden vor dem Ende mit 31:30 gegen GWD Minden gewannen. „Es ist schwer, Worte zu finden. Die Bilder sprechen für sich, man sieht weinende Männer“, sagte VfL-Trainer Torge Greve völlig niedergeschlagen nach der Partie.

Allerdings hatte es Gummersbach am Pfingstsonntag selbst in der Hand, das lange Jahre Undenkbare doch noch zu verhindern. Mit einem Sieg hätte der zwölfmalige Meister die Rettung aus eigener Kraft geschafft. „Das ist schon ein hartes Brett“, sagt der frühere Gummersbacher Kult-Torhüter Andreas Thiel. Er hofft nun auf einen neuen Anfang im Unterhaus. „Der Wiederaufstieg“, sagt „Hexer“ Thiel, „ist nicht unmöglich. Man muss mit Verstand für die nächste Saison ein Team zusammenstellen. Die Chance zum kompletten Reset ist jetzt da.“

Ähnlich äußert sich auch Weltmeister-Trainer Brand. Man müsse nun „die sportlichen und organisatorischen Voraussetzungen“ für die sofortige Bundesliga-Rückkehr schaffen. „Man darf jetzt aber nicht im Überschwang der Gefühle handeln, sondern muss ein vernünftiges Konzept entwickeln. Das wird nicht einfach“, sagt Brand, „aber die Chance ist da. Ich wünsche mir, dass der VfL zurückkommt. Gummersbach gehört einfach in die Handball-Bundesliga.“

Überraschend kommt der Gummersbacher Abstieg aber auch für Brand nicht, der VfL befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Der letzte der insgesamt elf (!) Europacup-Siege datiert aus dem Jahr 2011, der letzte Meistertitel liegt weitere 20 Jahre zurück. Zuletzt wurde der Ligaverbleib als Tabellen-15. zwei Mal nur mit Ach und Krach gesichert. Und auch wirtschaftlich konnte Gummersbach ganz vorn schon lange nicht mehr mithalten. Immer wieder gab es Probleme mit dem lieben Geld, erst kürzlich hakte es wieder bei der Lizenz für die neue Saison.

Auf den ersten Blick erinnert das Schicksal des tief gefallenen Traditionsclubs, der den deutschen Handball über Jahrzehnte im In- und Ausland geprägt hat, stark an das der Fußballer des Hamburger SV. Mehrfacher deutscher Meister, Europokalsieger, feste Größe in der Eliteliga über ein halbes Jahrhundert: Auch die Hanseaten galten in der Republik als letzte Dinos, bevor sie – um im Bild zu bleiben – am 12. Mai 2018 nach 55 Jahren und am Ende qualvollem Kampf ausstarben. Die Rückkehr in die 1. Liga gelang den Fußballern im ersten Jahr 2. Liga nicht. Der VfL Gummersbach kann es immerhin besser machen.

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