Handball „Für mich ist die EM eine Belohnung“

Frankfurt · Der Weltmeister von 2007 ist zurück in der deutschen Handball-Nationalmannschaft und will mit 37 Jahren noch mal durchstarten.

Alt ist er geworden, der Jogi Bitter. Alt, aber nicht schlechter: Der 37-Jährige vom Bundesligisten TVB Stuttgart ist zurück in der deutschen Handball-Nationalmannschaft und will bei der Europameisterschaft wie in alten Zeiten das deutsche Tor vernageln.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Für Johannes Bitter war schon ein paar Tage früher Bescherung. Der Weltmeister von 2007, damals gemeinsam mit Ikonen wie Henning Fritz, Markus Baur und Christian Schwarzer, erhielt vier Tage vor Heiligabend überraschend einen Platz im deutschen Kader für die Handball-EM und feiert damit nach knapp sechs Jahren eine spektakuläre Rückkehr zwischen die Pfosten der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Im Interview spricht der 37-Jährige vom Bundesligisten TVB Stuttgart über sein Comeback und seine Ziele.

Herr Bitter, nach neun Jahren ohne Turnier geht es mit der Nationalmannschaft für Sie jetzt wieder auf große Reise. Wie fühlt sich das an?

JOHANNES BITTER Ich freue mich tierisch drauf. Tasche packen für drei, vier Wochen – das ist keine Belastung. Im Gegenteil, das ist Belohnung. Ich freue mich über jedes Teil, das ich einpacke. Und ich hoffe, dass es ein cooler Januar wird. Ich bin voller Vorfreude auf die Lehrgangswoche und auf die EM.

Nach neun Jahren Turnierpause – das klingt fast ein bisschen wie das erste Mal, oder?

BITTER (lacht) Es ist eine spannende Mischung aus Zurückkommen, aber irgendwie auch alles neu. Es fühlt sich definitiv nicht so an, als ob ich schon 140 Länderspiele gemacht hätte. Ich habe zehn, elf große Turniere gespielt, die sind aber alle schon lange her. Es wird spannend. Es hat sich vieles verändert. Die Mannschaft hat sich komplett verändert, das Drumherum hat sich verändert, und auch die Weltspitze hat sich ein bisschen verändert – das wird mega spannend. Ich war jetzt eine ganze Zeit als Fan dabei. Da jetzt wieder mitmischen zu dürfen, wo andere nur zuschauen, da freue ich mich drauf.

Und Ihre Kinder, wegen denen Sie 2011 zurückgetreten waren, freuen sich wahrscheinlich mit Ihnen.

BITTER Absolut. Ich musste das natürlich erklären, weil sie das so noch nicht miterlebt haben. Sie kennen all die alten Geschichten, im Trikot haben mich aber noch nicht alle drei Jungs erlebt. Jetzt freuen sie sich auf die Spiele und sind immer up to date. Die Trikots sind schon bestellt, die werden hoffentlich pünktlich da sein.

Neu ist das Torhütergespann mit Andreas Wolff. Hatten Sie schon Kontakt?

BITTER Ja, wir haben vor Weihnachten gequatscht. Es war sehr nett, wir kennen uns ja auch schon seit Jahren als Gegner aus der Bundesliga. Wir freuen uns beide auf die kommenden Wochen. Ich denke, dass die Konstellation funktionieren wird. Wir beide werden alles dafür tun, ordentlich was zu halten.

Eine klare Hierarchie wird es im Gegensatz zum Vorjahr, als Andi Wolff als Nummer eins vor Silvio Heinevetter in die Heim-WM ging, bei der EM wohl nicht geben. Erheben Sie Ansprüche?

BITTER Ich habe mich in meiner Nationalmannschafts-Karriere nie als klare Nummer eins oder zwei gefühlt. Das ist mir auch vollkommen wurscht. Wenn der Andi jetzt überragend hält und jedes Spiel 20 Bälle abwehrt, dann bin ich der Letzte, der sich grämt, sondern bin der Erste, der auf der Bank steht und ihn feiert. Darauf wird es ankommen. Wir wollen in jedem Spiel eine starke Torhüterleistung abliefern. Und wer das am Ende macht, ist egal. Wir können das beide.

Es gab im Vorfeld einige verletzungsbedingte Absagen. Wie schätzen Sie das deutsche Team ein?

BITTER Absagen sind nie cool. Es sind Leute, die Qualität haben. Aber damit dürfen wir uns jetzt gar nicht mehr beschäftigen. Wir haben so viele gute Handballer in Deutschland, die alle für die Nationalmannschaft spielen können und wollen, sodass es eigentlich kein Problem werden darf. Unser Kader ist gut, in Teilen sogar sehr gut. Wir dürfen uns Chancen ausrechnen, sehr weit zu kommen.

Ist eine Medaille möglich?

BITTER Ja. Wir haben absolut das Potenzial, eine Medaille holen zu können. Es muss für eine deutsche Mannschaft immer das Ziel sein, mindestens ins Halbfinale zu kommen. Dieser Anspruch ist auch beim Team da. Trotzdem passieren beim Handball manchmal verrückte Dinge. Das haben wir gerade bei der Frauen-WM gesehen. Ich selbst habe schon einige krasse Spiele erlebt wie beispielsweise bei der WM 2007. Es ist alles so eng beisammen, und es muss so viel für dich laufen, deswegen zählt erst einmal nur das erste Spiel am 9. Januar gegen die Niederlande.

In einer ähnlichen Konstellation mit vielen Verletzten ist Deutschland vor vier Jahren Europameister geworden. Zeit für eine Wiederholung?

BITTER (lacht) Da hätte ich nichts dagegen. Bei einer Europameisterschaft habe ich mir noch keine Medaille abholen dürfen, da hätte ich schon Bock drauf, keine Frage. Es wird aber erst einmal wichtig sein, gut in das Turnier zu starten und einen Turnier-Flow zu entwickeln. Den kann man nicht planen, nur von der ersten Sekunde an alles dafür tun – und das werden wir.

Sind die Olympischen Spiele im Sommer ein Ziel von Ihnen?

BITTER Es wäre gelogen zu sagen, ich hätte das nicht im Hinterkopf. Da will jeder deutsche Handballer hin. Vor allem haben wir im Kopf, dass der Europameister sich direkt für die Olympischen Spiele qualifiziert. Aktuell hat das aber noch keinen Stellenwert. Ich habe sehr viele schöne Dinge erlebt im Handball, aber auch unerwartete Rückschläge. Es bringt jetzt gar nichts, so weit zu planen. Wir sollten zunächst die kommenden Aufgaben erledigen.