Drama, Debakel, Demütigung „Horror-Wiederholung der WM 2018“ – So reagieren die internationalen Medien auf das deutsche WM-Aus

Ein dramatischer Abend liegt hinter den deutschen Fußballfans. Trotz 4:2 Sieg scheidet Deutschland in der Vorrunde der WM aus. Und die internationale Presse hat etwas zu schreiben. Über Arroganz bis hin zu Personalentscheidungen.

WM 2022 in Katar: „Horror-Wiederholung“ - die Reaktionen auf die DFB-Elf
Foto: dpa/Christian Charisius

Nach dem deutschen WM-Desaster berichten auch die internationalen Medien über das Vorrunden-Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Katar.

Die französische Le Monde kommentiert die deutsche Niederlage - wie von den Franzosen gewohnt - mit scharfer Zunge. Die Berliner Korrespondenten schreiben: „In einer nicht allzu fernen Vergangenheit war Deutschland beim Start einer Weltmeisterschaft ein Platz im Finale oder schlimmstenfalls in der Runde der letzten Vier sicher. Die Nationalmannschaft stürzte zwar manchmal, aber nie aus großer Höhe. Sie war zuverlässig wie ihre Limousinen, herrlich arrogant und immer dabei. Doch die Klischees haben sich überlebt und wir müssen eine Gegenwart akzeptieren, in der der viermalige Weltmeister nach 2018 zum zweiten Mal in Folge von Anfang an stolpert.“

So reagiert die Presse in Großbritannien

  • Der „Guardian“ in Großbritannien schreibt: „Deutschland ist in einer Horror-Wiederholung der WM 2018 zu einem frühen Aus verurteilt“.
  • Die „Daily Mail“ geht auf die knappe Entscheidung im Japan-Spiel ein, die letztlich den Deutschen den Einzug versaut. „Sie denken, der Ball ist über der Linie...aber er ist es NICHT! Die deutschen Herzen werden gebrochen, als sie aus der WM geworfen werden, nachdem das japanische Tor gegen Spanien zählt – der Ball ist mit der kleinsten Spanne im Spiel“
  • Der britische „Daily Star“ schickt sogar gleich deutsche Grüße an die Ausscheider: „Auf Wiedersehen (auf deutsch): Die Deutschen sind raus bei der WM, nachdem Japan ein kontroverses Tor erzielt, das fragwürdig aussieht – aber wen interessiert's“

Schweizer Presse fordert Konsequenzen

Fußball-WM: Deutschlands Kader für Katar
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Titelreif? Deutschlands WM-Kader für Katar

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  • Die „Neue Zürcher Zeitung“ erwartet nun Veränderungen im deutschen Team, sie schreiben: „Die nächsten Wochen werden zeigen, wie der DFB gedenkt, diese Krise zu bewältigen. Nach dem Scheitern von Joachim Löw in Russland entschied man sich dafür, die Sache auszusitzen. Nun stellt sich heraus: Es waren seither viereinhalb verlorene Jahre.“
  • Auch der „Tagesanzeiger“ sieht gleich Flicks Job in Gefahr: „Die Blamage und das Debakel sind perfekt für eine Mannschaft, die in Katar vollmundig angetreten war, den Titel gewinnen zu wollen. Platz 3 ist es geworden in der Gruppe E, hinter Japan und Spanien. Ja, Japan setzt sich als Gruppensieger durch, dank eines 2:1 gegen Spanier, deren bedenkliche Einstellung an diesem Tag Fragen aufwirft. Die Asiaten treffen im Achtelfinale auf Kroatien und die Spanier auf Marokko. Die Deutschen dagegen fliegen am Freitagnachmittag zurück in die Heimat. Mit ganz schwerem Gepäck und vielen grundsätzlichen Fragen, wo sie mit ihrem Fußball stehen und wie es weitergehen kann mit Hansi Flick als Trainer.“

Demütigung, Drama und Debakel - viele D´s für Deutschland

  • In Österreich schreibt der „Standard“: „Deutschland hat seine Pflicht getan, Deutschland kann gehen.“
  • In den USA schreibt „ESPN“: „Deutschland erleidet die Demütigung des zweiten Aus in der WM-Gruppenphase nacheinander.“
  • „De Telegraaf“ aus den Niederlanden titelt: „Neues WM-Drama für ausgeschiedenes Deutschland.“
  • Der niederländische „AD“spricht hingegen von einem „Debakel für Deutschland. Die Mannschaft fährt nach einem sensationellen Ende wieder bereits nach der Vorrunde nach Hause. Deutschland, die einst so mächtige Fußball-Nation, ist zum zweiten Mal in Serie mit einem unrühmlichen Abgang von der WM konfrontiert. Vor vier Jahren hatten die Deutschen schon ein Trauma. Das eine Mal, aber nie mehr. Aber wie muss man das jetzt bezeichnen? Der zweite unrühmliche Abgang der Großmacht nacheinander wird noch viel größere Wunden hinterlassen. Es konnte nicht, es sollte nicht, aber es passierte trotzdem an einem Abend, der als legendär in die Geschichtsbücher eingeht.“

Derweil gehen in deutschen Team schon die ersten Personalplanungen los

Auf Flick und Bierhoff - die Verantwortlichen im sportlichen Bereich - richtet sich jetzt der Fokus. Beide hatten noch im Schockzustand des nächsten Turnier-Desasters deutlich gemacht, dass sie ihre Arbeit fortsetzen wollen, die Heim-EM 2024 ihr nächstes Ziel sein soll. „Mir macht es Spaß. Wir haben eine gute Mannschaft“, sagte Flick.

Er will das ausgerufene und weit verfehlte Ziel Titelgewinn sowie die klar verpasste Rückkehr in die Weltspitze „sehr, sehr schnell“ aufarbeiten. „Ich bin immer einer, der sehr kritisch ist, und das wird auch in die Analyse mit einfließen“, sagte er. Die werde sehr zeitnah erfolgen.

Bierhoff schloss persönliche Konsequenzen aus. „Ich habe ein sehr gutes Gefühl für mich“, sagte der 54-Jährige. Dass aber auch er infrage gestellt wird, war ihm als erfahrenem Profi in der Nacht zum Freitag natürlich sehr wohl bewusst. „Leider habe ich keine Argumente mit drei schlechten Turnieren, die ich dagegenhalten könnte“, sagte er.

Auch über die Spieler muss nun intensiv diskutiert werden

Wer hat eine Perspektive? Mit wem ist der Neubeginn sinnvoll? Der 33-jährige Müller war kurz nach dem Spiel am nächsten an einer Rücktrittserklärung. Er möchte aber erst noch mit seiner Frau reden, ebenso mit Flick.

Kapitän Manuel Neuer (36) will, „soweit ich eingeladen werde und meine Leistung zeige“, weitermachen.

Am tiefsten getroffen schien Joshua Kimmich, der Anführer der Generation 1995/96, der tief in seine verwundete Seele blicken ließ. „Wir fahren wieder nach Hause. Dementsprechend habe ich ein bisschen Angst davor, echt in ein Loch zu fallen“, sagte der 27 Jahre alte Bayern-Profi in der Interview-Zone des Stadions mit feuchten Augen. Ein Ende seiner DFB-Karriere schloss Kimmich aber aus.

(dpa)
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