Frauenfußball Angreiferin, Anführerin, Aktivistin

Reims · Die streitbare Megan Rapinoe führt die US-Fußballerinnen ins WM-Viertelfinale gegen Gastgeber Frankreich.

 US-Kapitänin Megan Rapinoe (Mitte) jubelt nach dem Sieg ihres Teams im Achtelfinale gegen Spanien. Im Viertelfinale kommt es jetzt zu einem vorweggenommenen Endspiel gegen Gastgeber Frankreich.

US-Kapitänin Megan Rapinoe (Mitte) jubelt nach dem Sieg ihres Teams im Achtelfinale gegen Spanien. Im Viertelfinale kommt es jetzt zu einem vorweggenommenen Endspiel gegen Gastgeber Frankreich.

Foto: dpa/Alessandra Tarantino

Donald Trump dürften die Bilder nicht gefallen haben, die da aus Frankreich über die heimischen Bildschirme flimmerten. Megan Rapinoe wird als Matchwinnerin gefeiert, Megan Rapinoe formt freudestrahlend das Victory-Zeichen mit den Fingern, Megan Rapinoe hält die Trophäe für die beste Spielerin im Arm.

Ausgerechnet diese Rapinoe, die aus Protest gegen den US-Präsidenten die Nationalhymne nicht mitsingt und dem Anführer der freien Welt über die sozialen Netzwerke gerne mal ein unverblühmtes „F*** you“ entgegenschleudert, hat die USA ins Viertelfinale der Frauenfußball-WM geschossen.

Die Spielführerin des Titelverteidigers verwandelte zwei Elfmeter (7. und 75. Minute) im Achtelfinale gegen Spanien (2:1), wurde kurz vor Schluss unter dem großen Applaus der US-Fans ausgewechselt und sprach hinterher über das bevorstehende Mega-Duell am Freitag (21 Uhr) mit Gastgeber Frankreich. „Das fühlt sich natürlich ein bisschen nach Finale an“, sagte sie.

Doch der Fußball ist für die 33-Jährige mittlerweile vor allem ein Mittel zum Zweck. Die Weltmeisterin und Olympiasiegerin mit den pinkfarbenen Haaren nutzt ihre Bekanntheit, um als Aktivistin auf die Missstände in ihrer Heimat aufmerksam zu machen. „Als ich älter geworden bin, habe ich erkannt, wie mächtig eine Stimme sein kann – meine Stimme und die Stimme der Mannschaft“, sagte Rapinoe in einem Interview mit der englischen Zeitung The Guardian vor der WM-Endrunde.

Bevor sie ihre Stimme aber wieder zum Singen der Hymne erhebt, muss viel passieren. Erst müsse das Strafrecht reformiert sowie die Rechte der Lesben und Schwulen gestärkt werden, betonte Rapinoe – vorher werde ihr kein Ton über die Lippen kommen. Aufgrund dieser Einstellung ist die Offensivspielerin des Seattle Reign FC, die sich 2013 als erste US-Nationalspielerin offen zu ihrer Homosexualität bekannte, bei ihren patriotischen Landsleuten nicht sonderlich beliebt. Aus deren Reihen wird immer wieder der Rauswurf Rapinoes aus dem Nationalteam gefordert.

Schließlich war die gebürtige Kalifornierin die erste weiße Person und die erste Frau, die sich 2016 dem „Knie-Protest“ von Football-Quarterback Colin Kaepernick gegen Rassismus und Polizeigewalt anschloss. Das gefiel dem US-Establishment gar nicht. Rapinoe durfte erst wieder im Nationalteam mitspielen, als sie beim Star-Spangled Banner aufrecht stehen blieb.

Dem US-Verband blieb Rapinoe dennoch als „Quälgeist“ erhalten. Sie war eine von fünf Spielerinnen, die den Verband wegen Geschlechterdiskriminierung verklagten. Als Rapinoe und Co. im Frühjahr von einem Bundesgericht das Recht zugesprochen wurde, weiter juristisch gegen die schlechtere Bezahlung im Vergleich zu den männlichen Kollegen vorgehen zu dürfen, schloss sich das gesamte Team an.

Vorangehen will Rapinoe, deren Zwillingsschwester Rachel ebenfalls professionell spielt, am Freitag im vorweggenommenen Endspiel auch auf dem Platz. „Wir müssen sehr gut organisiert sein, denn die Französinnen sind sehr gut mit dem Ball“, sagte die Kapitänin mit Blick auf das Duell der Topfavoriten: „Wir dürfen uns auf keinen Fall zurücklehnen.“ Aber das tut sie ohnehin nur höchst selten.

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