Fußball „Der Spielplan wird unsere Spieler töten“

London · Mit drastischen Worten machen Profis und Trainer auf die wachsende Belastung im Fußball aufmerksam. Eine Studie belegt das.

 Heung-min Son von Tottenham Hotspur setzt sich hier gegen den Dortmunder Jadon Sancho durch. Die Champions-League-Partie am 13. Februar war eines von insgesamt 78 Saisonspielen für Son.

Heung-min Son von Tottenham Hotspur setzt sich hier gegen den Dortmunder Jadon Sancho durch. Die Champions-League-Partie am 13. Februar war eines von insgesamt 78 Saisonspielen für Son.

Foto: AP/Alastair Grant

78 Spiele und mehr als 110 600 Kilometer im Flugzeug: Heung-min Son hatte in der vergangenen Saison kaum Zeit zum Durchatmen. Und damit ist der Südkoreaner von Tottenham Hotspur bei weitem kein Einzelfall – viele Profifußballer bewegen sich mittlerweile an den Grenzen der Belastbarkeit.

Star-Trainer Pep Guardiola kritisiert die derzeitigen Zustände scharf: „Es ist ein verrückter Spielplan, und er wird unsere Spieler töten. Das können wir nicht für eine längere Zeit aufrechterhalten. Sie müssen sich schonen“, sagt der Meistertrainer von Manchester City in einem Bericht, den die internationale Spielergewerkschaft FIFPro kurz vor dem Start der neuen Fußball-Saison in den europäischen Topligen veröffentlichte.

Auch Guardiolas großer Rivale Jürgen Klopp vom Champions-League-Gewinner FC Liverpool stimmt zu. „Wenn wir nicht lernen, besser mit unseren Spielern umzugehen, töten wir dieses wunderschöne Spiel“, sagt der 52-Jährige. Harte Worte, doch immerhin geht es um viel. Die Gesundheit der Spieler sowie die hohe Qualität an der Weltspitze stehen auf dem Spiel.

Die Gewerkschaft FIFPro, die weltweit mehr als 65 000 Fußballer repräsentiert, erneuerte daher ihre Forderungen in einem 40-seitigen Bericht mit dem passenden Titel „Am Limit“: Obergrenzen für die Anzahl an gespielten Begegnungen gehören ebenso zu den Vorschlägen wie längere Pausen zwischen den Spielen und nach langen Flugreisen sowie eine mindestens vierwöchige Sommer- und zweiwöchige Winterpause.

Auch Thomas Müller vom FC Bayern hatte in der Vergangenheit bereits Kritik geäußert: „Du darfst drei Wochen Luft holen, dann wirst du wieder unter Wasser gedrückt. Mental ist das schon eine große Belastung.“ Speziell die Profis in der englischen Premier League stehen unter Dauerdruck, bekommen auch im Winter keine Verschnaufpause.

Von der Terminhatz sind aber alle Stars in den Topligen betroffen. Liga, Pokal, Champions League und Europa League, Länderspiele und diverse Tests in der Saisonvorbereitung auf diversen Kontinenten, um den Wünschen nach noch mehr Vermarktung gerecht zu werden – die Liste an Verpflichtungen ist lang. „Während ein paar Hundert Spitzenspieler überladen werden mit Wettbewerben, bieten sich Tausenden ihrer Kollegen zu wenig Möglichkeiten, um sich darüber eine nachhaltige Karriere aufbauen zu können“, schreibt FIFPro-Generalsekretär Theo van Seggelen.

Der Bericht hebt hervor, dass die „Anforderungen an die Spieler größer werden“, die physische und psychologische Leistungsfähigkeit aber Grenzen habe. Der Fußball sei derzeit so schnell, körperlich und global wie noch nie. Für die Studie wurden die Einsatz-, Reise- und Ruhezeiten von 543 internationalen Profifußballern analysiert, viele kommen auf bis zu 70 Einsätze pro Saison.

Dauerläufer Son war neben den 53 Spielen für den Champions-League-Finalisten aus London auch 25 Mal für das Nationalteam im Einsatz. Bei insgesamt 72 Prozent der Begegnungen standen dem 27-Jährigen weniger als fünf Tage Pause zur Verfügung. Im Sommer hatten die Profis nun kurz Zeit zur Erholung, zum Abschalten. Doch schon bald geht es zurück an die Belastungsgrenze – die neue Saison steht in den Startlöchern.

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