Viele kritische Stimmen Die Bundesliga zweifelt an der WM 2022

Doha · Extreme Hitze, leere Stadien: Nach den jüngsten Erfahrungen bei der Leichtathletik-WM ist nicht nur bei den Fußballern die Skepsis groß.

Der kurze Weg zum Flughafen führte die abgekämpften Leichtathleten aus aller Welt an gigantischen Werbewänden vorbei. „Expect Amazing“ – in etwa also „Erwarte Erstaunliches“ – lässt die Wüstenstadt Doha gut drei Jahre vor dem Anpfiff der Fußball-WM 2022 jeden Besucher wissen. Überall in Katars Hauptstadt wird massiv gebaut und aufgerüstet - das nächste Weltereignis, das im Jahr 2010 unter fragwürdigen Umständen nach Katar vergeben worden war, wird die am Sonntag zu Ende gegangene Leichtathletik-WM in allen Belangen übertrumpfen. Zweifel bleiben.

Die brutale Hitze zumindest im Freien und das an den ersten Wettkampftagen nur spärlich besuchte Khalifa-Stadion sorgten einmal mehr für negative Schlagzeilen und warfen wieder die Frage auf, ob das Emirat der richtige Austragungsort für die Fußball-Endrunde ist, die vom 21. November bis 18. Dezember 2022 mit 32 Mannschaften ausgetragen wird. „Ich frage zurück: Warum sollte es der falsche Platz sein?“, antwortete der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, Sebastian Coe, mit einer Gegenfrage. Bei seiner Leichtathletik-WM habe es keine Probleme, sondern nur Herausforderungen gegeben.

Im Kontrast zu dieser Schönfärberei äußerten Manager der Bundesliga aus der Ferne unter dem Eindruck der Fernsehbilder große Zweifel. Borussia Dortmunds Manager Michael Zorc sprach von einer „absolut falschen, irren Entscheidung“. Sportliche Gründe hätten „offensichtlich keine Rolle“ gespielt. Das trifft den Ton der Debatte, überraschend positive Äußerungen wie jüngst von Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann gibt es zur WM 2022 nur ganz wenige.

Armin Veh, Geschäftsführer Sport des 1. FC Köln, findet es „aberwitzig, dass man dort eine WM macht“. Auch RB Leipzigs Sportdirektor Markus Krösche äußerte, dass das WM-Turnier in Katar „für den Fußball sicher nicht gut“ sei. Sorgen um eine ausgelassene Stimmung macht sich Max Eberl. Der Manager von Borussia Mönchengladbach fürchtet, „da viele Abstriche machen“ zu müssen. Auch Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff hält vieles für nicht optimal, ein Lamento darüber aber für zwecklos: „Wir müssen die Entscheidung der Fifa akzeptieren und uns darauf einstellen.“

Dagegen ist es für die Sportausschussvorsitzende des Bundestages zu einfach, die Erfahrung mit der Leichtathletik-WM auf die WM zu übertragen. „Das ist schwierig einzuschätzen“, sagte Dagmar Freitag (SPD). „Möglicherweise wird es sogar einfacher als mit der Leichtathletik-WM, weil Fußball eine Sportart ist, die, was die Begeisterung angeht, weltweit an der Spitze steht. Auch in Katar. Somit dürfte es leichter sein, die Stadien zu füllen.“ Zumal Katar in diesem Jahr Asien-Meister geworden ist.

Der Fußball-Weltverband Fifa sieht nur Chancen und keine (sportpolitischen) Bedenken. Für Präsident Gianni Infantino seien alle „Zutaten vorhanden“, um die WM 2022 zu einem „unvergesslichen Ereignis“ zu machen.

„Die Zusammenarbeit mit den katarischen Behörden ist hervorragend. Wir sind sehr zuversichtlich, dass die anstehenden Fifa-Wettbewerbe in Katar erfolgreich verlaufen werden“, sagte Helmut Spahn, der deutsche Sicherheitschef des Weltverbandes, der vor seinem Fifa-Engagement fünf Jahre in Katar gelebt hat. Die Durchschnittstemperaturen im November und Dezember lägen zwischen 15 und 24 Grad Celsius und böten „für alle Spieler und Fans optimale Bedingungen“.

Rechtzeitig zur Club-WM im Dezember wird das dritte Stadion für 2022 eingeweiht werden. In der 40 000 Zuschauer großen Arena am Rande Dohas wird das Halbfinale am 18. Dezember ausgetragen, für das Champions-League-Sieger FC Liverpool gesetzt ist. Drei Tage später werden dort das Finale sowie das Spiel um Platz drei ausgetragen.

Obwohl vier der acht Stadien des von 2,7 Millionen Menschen bewohnten Landes in anderen Städte gebaut wurden und werden, beträgt die längste Distanz zwischen ihnen 55 Kilometer und etwa einer Stunde Fahrtzeit. WM-Mittelpunkt bleibt aber Doha, wo rund 1,5 Millionen Gäste und sämtliche 32 Mannschaften wohnen – und wo das Endspiel kurz vor Heiligabend 2022 im 80 000 Zuschauer fassenden Lusail-Stadion stattfinden soll.

„Alle Mannschaften und Fans in ‚einer Stadt‘ zu haben, ist sicher eine Herausforderung, aber auch eine große historische Chance mit vielen positiven Aspekten“, sagte Spahn. Während der WM soll in den geplanten Fan-Zonen Bier ausgeschenkt werden, was in dem muslimisch geprägten Land normalerweise strikt untersagt ist. Aber es wird ein teures Vergnügen: Ein Glas Bier kostet 55 Riyal (rund 13,40 Euro).

„Ob allerdings Fans aus anderen Ländern Lust haben, die Vorweihnachtszeit in Stadien in der Wüste zu verbringen, versehe ich mal mit einem ganz großen Fragezeichen“, sagte Freitag. Zumal die Fußball-WM umstritten bleiben werde. „Ich gehe davon aus, dass die Kritik an den gesellschaftspolitischen Umständen auch bis 2022 nicht verebben wird“, sagte sie. Nach allem, was man höre, hätte sich die Situation in Doha für die Gastarbeiter - von denen 30 000 bei WM-Projekten im Einsatz sind – verbessert, „aber eben noch nicht überall im Land: Und dort, wo es noch nicht weitergegangen ist, herrschen wohl weiter inakzeptable Zustände.“

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