Fußball-Bundesliga Mainz 05 ist Sonderfall und Sorgenkind zugleich

Mainz · Der Fußball-Bundesligist hat im großen Stil Kurzarbeit durchgesetzt, um den Liquiditäts-Engpässen zu begegnen.

 Jubelnde Mainzer? Die eigentlich kluge Transferpolitik des FSV in den vergangenen Jahren könnte sich in der Corona-Krise bitter rächen.

Jubelnde Mainzer? Die eigentlich kluge Transferpolitik des FSV in den vergangenen Jahren könnte sich in der Corona-Krise bitter rächen.

Foto: dpa/Torsten Silz

Im Normalfall ist die Arbeit paritätisch aufgeteilt. Alles, was mit Öffentlichkeitsarbeit beim Fußball-Bundesligisten FSV Mainz 05 zu tun hat, landet entweder bei Mediendirektor Tobias Sparwasser oder Pressesprecherin Silke Bannick. Er leitet die Kommunikation für den Vorstand, sie ordnet den Kontakt zu Trainern und Spielern. Die Coronakrise verändert ihren Alltag massiv: Das Duo arbeitet seit Monatsanfang aus den Container-Bauten vor dem alten Bruchwegstadion im Schichtbetrieb: Die erste April-Woche ist er dran, die zweite Woche sie.

Die Umstellung auf Kurzarbeit für etwa drei Viertel der Festangestellten macht auch vor dem Bereich Medien und Kommunikation nicht halt. „Die Einschnitte sind schmerzhaft und echter Stresstest für uns“, hat Clubchef Stefan Hofmann mitgeteilt. Wegen der Einnahme-Ausfälle musste der Verein „komplett auf links“ gekrempelt werden. Auch der Bau einer neuen Geschäftsstelle ist verschoben. Kein Erstligist spart kollektiv so konsequent: Weil Spieler, Trainer, sportliche und kaufmännische Führungsebene von April bis Juni auf bis zu 25 Prozent Gehalt und auch die ehrenamtlichen Aufsichtsratsmitglieder auf ihre Aufwandsentschädigungen verzichten, kommen mehr als zehn Millionen Euro zusammen, wie der kaufmännische Vorstand Jan Lehmann ausgerechnet hat.

Das Einspar-Potenzial ist zur Vermeidung von Liquiditäts-Engpässen unerlässlich. Lehmann kann jetzt versichern: „Die Liquidität ist über den Sommer hinaus gesichert.“ Die Nullfünfer seien ein Club, „der nahezu schuldenfrei“ ist. Aber der selbst ernannte Karnevalsverein steht eben finanziell auch nicht so gut da, wie das vielleicht immer angenommen wurde. Man spielt das elfte Jahr in der Bundesliga und galt als kerngesundes Vorzeige-Modell eines kleineren Standorts in diesem Haifischbecken Profifußball.

Heimspiele finden nicht mehr wie unter Jürgen Klopp in der „Blechbüchse“ statt – so bezeichnete der ehemalige Präsident Harald Strutz die mit Stahlwänden geschützte Spielstätte am Bruchweg. Sondern mit Eigenmitteln wurde eine schmucke Arena am Europakreisel mit fast 34 000 Plätzen gebaut, die 2011 unter Thomas Tuchel bezogen wurde. Fünf Jahre später wurden hier sogar Europa-League-Gruppenspiele ausgetragen.

Und doch ist 2020 wirtschaftlich mehr auf Kante genäht als allgemein gedacht. Denn in der letzten prächtigen Bilanz mit 145 Millionen Euro Rekordumsatz steckten fast 56 Millionen an Transfererlösen. Genauso hoch beläuft sich ungefähr das Eigenkapital, wie Lehmann erklärt. Man ist aber Sonderfall und Sorgenkind zugleich, weil das Geld größtenteils nicht auf einem Girokonto und erst recht nicht auf einem Festgeldkonto liegt, sondern sich zum Großteil in den aktivierten Spielerwerten versteckt.

Die Rheinhessen haben in jüngerer Vergangenheit gerne für sechs, sieben oder acht Millionen Euro Ablöse vorzugsweise junge Franzosen, Spanier oder Niederländer verpflichtet, um diese später gewinnbringend weiterzuverkaufen. „Die Spieler sind das Kapital“, heißt es. Problematisch werden die in den Büchern stehenden Zahlen, wenn der Transfermarkt zum Erliegen kommen sollte. Jene Drohkulisse musste Finanzvorstand Lehmann in seine Erwägungen einspeisen. Beim von der DFL geforderten Worst-Case-Szenario bei Saisonabbruch kämen die Mainzer auf einen Fehlbetrag, der weit über 20 Millionen Euro läge. Auch deshalb wird an diesem Standort genau wie anderswo für eine Fortsetzung in einer virenfreien Sonderzone ohne Zuschauer plädiert.

Und selbst dann würde die Spielzeit mit einem kräftigen Minus enden. Für Sportvorstand Rouven Schröder würde das im Sommer heißen, einige Verkäufe tätigen zu müssen, auch wenn die Akteure unter Marktwert weiterziehen. Existenzbedrohend könnte es für das Geschäftsmodell werden, sollte sich für längere Zeit keine Transfereinnahmen erzielen lassen. Gleichwohl sind sich die Verantwortlichen in Mainz sicher, dass sie dank ihres für die Bundesliga einmaligen Maßnahmen-Katalogs nicht der erste Erstligist sein werden, der in die Knie geht, wenn die Krise sich noch ausweitet.

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