Frauen-Fußball Heute Abend EM-Finale England – Deutschland: Zeit mieser Vergleiche mit Pfannkuchenwerfen vorbei

London · Das wird ein hartes Stück Arbeit: Denn die DFB-Frauen müssen an diesem Sonntag im Finale um die Fußball-Europameisterschaft vor einer mächtigen Fan-Kulisse der Gastgeber antreten. Im Londoner Wembley-Stadion steht das deutsche Team England gegenüber. Und die bisherigen Rekord-Einschaltquoten strafen hämische Kommentatoren Lügen.

 Das DFB-Team am Tag vor dem EM-Finale im Londoner Wembley-Stadion.

Das DFB-Team am Tag vor dem EM-Finale im Londoner Wembley-Stadion.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Mit großen Augen schauten die deutschen Fußballerinnen beim Abschlusstraining am Samstagabend, 30. Juli, durchs weite Rund von Wembley mit seinen 90 000 roten Sitzen. „Das Stadion ist auch schon im leeren Zustand beeindruckend. Die Vorfreude ist sehr, sehr groß“, sagte Vize-Kapitänin Svenja Huth vor dem EM-Traumfinale gegen England an diesem Sonntag (18 Uhr deutscher Zeit bei ARD und DAZN).

Der Rekord-Europameister aus Deutschland kann zum neunten Mal den Titel holen, für England wäre es der erste Triumph bei einem internationalen Turnier überhaupt. Unabhängig vom Ausgang des Finales der 13. EM haben die DFB-Frauen mit einem bisher überzeugenden Turnier die Rückkehr auf die große Bühne geschafft: 2017 bei der EM und 2019 bei der WM war der Olympiasieger von 2016 jeweils im Viertelfinale ausgeschieden und hatte die Tokio-Spiele verpasst.

So schätzt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg die Lage vor der EM-Finalbegegnung ein

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat zwar als Spielerin schon vier EM-Titel gewonnen. Das Gefühl, nach drei teilweise schwierigen Jahren jetzt in Wembley gegen England spielen zu dürfen, empfand sie zumindest am Samstag noch als überwältigend.

„Ich saß dann schon heute Morgen in meinem Hotelzimmer, mit dem Rücken angelehnt im Bett, und habe gedacht: Wow! Das ist wirklich wahr. Und als wir gerade hier ankamen und ich dieses Stadion gesehen habe: Ja! Es ist wahr“, berichtete sie bei der Abschluss-Pressekonferenz am Samstag.

Sarina Wiegman weiß schon, wie es ist, als Trainerin Europameisterin zu sein. 2017 triumphierte die Niederländerin mit dem Oranje-Team bei der Heim-EM, jetzt kann sie mit den Engländerinnen den Pokal holen.

So viele deutsche Fans werden das Spiel in Wembley verfolgen

Dass Voss-Tecklenburg den Gastgeberinnen den größeren Druck zuschob, da von den 87 000 zugelassenen Fans die ganz große Mehrheit England unterstützen wird – davon wollte Wiegman nichts wissen. „Beide Teams haben Druck, beide Teams wollen gewinnen. Wir empfinden nicht mehr Druck als Deutschland“, sagte die 52-Jährige. 3000 deutsche Fans hatten noch kurzfristig Karten bekommen.

Die Bundestrainerin wiederum wollte die Frage nicht hören, ob die DFB-Auswahl um Kapitänin Alexandra Popp schon so viel erreicht habe, dass sie nichts mehr zu verlieren habe. „Natürlich haben wir was zu verlieren. Nämlich ein Spiel, das wir nicht verlieren wollen“, sagte die 54-Jährige. Wie ihre Spielerinnen mit der Kulisse umgehen werden? „Ich kann noch nicht ganz einschätzen, wie schnell wir das beiseite schieben können“, sagte Voss-Tecklenburg.

Svenja Huth war anscheinend schon bei der Pressekonferenz in einer Art Kinosaal im Bauch von Wembley schwer beeindruckt. So drehte sie neben Voss-Tecklenburg sitzend den Spieß um und fotografierte all die Medienvertreter mit ihren Kameras, Mikrofonen und Laptops. „Unsere Perspektive“, schrieb sie dazu mit zwei Emojis.

Fußball-Fans feiern Nationalspielerin aus dem Saarland

Unterdessen werden Saarländer besonders mitfiebern. Denn Lena Lattwein begann ihre Karriere bei VfB Alkonia im Illinger Ortsteil Hüttigweiler. Die 22-jährige Nationalspielerin begeistert mittlerweile in dem Dorf sogar jene, die einst nicht so viel mit Fußball am Hut hatten.

Sogar die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grünen) zeigt Interesse für den Sport. Bei einem Besuch im Saarland am 16. Juli (Deutschland – Finnland 0:3) kam sie nach Saarlouis zum TuS Beaumarais, um dort beim Public Viewing die Begegnung in der EM-Vorrunde zu verfolgen. Der Fußball-Bezirksligist hatte in Zusammenarbeit mit dem saarländischen Fußballverband (SFV) und den Deutschen Fußballbund (DFB) das Fest eigens für ihre Visite organisiert. Zahlreiche Besucher verfolgten das Spiel auf dem Sportplatz des Vereins.

Echtes Interesse am Frauenfußball ist enorm gestiegen

Wenn jetzt das Finale mit deutscher Beteiligung ansteht, richten sich kurz entschlossen zahlreiche Gastronomen im Saarland darauf ein, stellen Fernsehapparate fürs gemeinschaftliche Zuschauen auf. Denn die Zuschauerzahlen sind in die Höhe geschossen. Viele entwickelten im Laufe der EM ein wahres Interesse am Frauenfußball. So verfolgten am Mittwoch den Einzug der DFB-Frauen ins Finale gegen Frankreich (2:1) zwölf Millionen Menschen in Deutschland. Das war ein neuer Rekordwert.

Noch allzu gut im Gedächtnis sind abschätzige Bemerkungen männlicher Sportkommentatoren. So erinnert die Frankfurter Allgemeine Zeitung an Henryk M. Broder. Er soll noch vor vier Jahren kommentiert haben. dass Frauenfußball in eine Kategorie mit Sackhüpfen und Pfannkuchenwerfen gehöre. Und er bezweifelte, dass Männer tatsächlich Frauen beim Kicken sehen möchten.

Der Gegenbeweis: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte dem deutschen Team für den Einzug ins EM-Finale per Twitter. Zudem reist nach London, um das Endspiel dort zu verfolgen.

Bundeskanzler Olaf Scholz fordert gleiche Bezahlung für männliche und weibliche Nationalspieler

Gleichzeitig forderte der Regierungschef gleiche Bezahlung für die Spielerinnen wie ihre männlichen Kollegen. Sie bekommen beim Titel-Gewinn jeweils 60 000 Euro. Zum Vergleich: Hätte es im Vorjahr bei den Männern mit dem Sieg hingehauen, dann hätte jedes Mannschaftsmitglied 400 000 Euro erhalten. Auch hierzu äußerte sich Scholz per Twitter: „Wir haben 2022. Frauen und Männer sollten gleich bezahlt werden. Das gilt auch für den Sport, besonders für Nationalmannschaften."

Live im Fernsehen: ARD und DAZN übertragen am heutigen Sonntag, die Finalpartie England – Deutschland ab 18 Uhr.

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