Günter Netzer wird 75 Jahre alt Der erste Popstar des deutschen Fußballs

Mönchengladbach · Günter Netzer, einst Rebell, Stilikone und Frauenschwarm, feiert an diesem Samstag seinen 75. Geburtstag.

 Günter Netzer schauspielerte auch abseits des Platzes – hier bei den Dreharbeiten zu dem Western „Potato Fritz“ in Spanien.

Günter Netzer schauspielerte auch abseits des Platzes – hier bei den Dreharbeiten zu dem Western „Potato Fritz“ in Spanien.

Foto: dpa/Horst Ossinger

Groß gefeiert hat Günter Netzer schon, natürlich in seiner eigenen Disco, dem „Lovers Lane“. 250 Gäste waren gekommen, von Jupp Heynckes über Berti Vogts bis „Hacki“ Wimmer, und drängten sich um die Theke. Die Discokugel drehte sich, Songs von den Bee Gees säuselten aus den Boxen. Und alle stießen an auf Netzer, den Rebell, den Ferrarifahrer, die Stilikone, den ersten Popstar des deutschen Fußballs, der an diesem Samstag 75 Jahre alt wird.

Die Theke war freilich nicht echt, das Flair schon. Denn als im Museum von Borussia Mönchengladbach vor einer Woche die Ausstellung „Aus der Tiefe des Raumes“ passend zu Netzers Geburtstag eröffnet wurde – mit Disco-Nachbau inklusive – da hing ein Hauch der 1970er Jahre in der Luft. „Ich bin überwältigt und beschämt. Ich gehe als glücklicher Mensch nach Hause“, sagte der ausgiebig gefeierte Netzer. Den Ehrentag selbst wird er im kleineren Kreis begehen, „ohne rauschendes Fest“.

Die schillernde Karriere Netzers lässt sich an Wänden und Vitrinen des Museums erleben. Zerfledderte Schuhe der Größe 46 2/3 stehen neben dem weißen Trikot mit der Nummer 10. Netzers fünf Treffer an der ZDF-Torwand flimmern ebenso über die Bildschirme wie sein Auftritt als Heino in der TV-Show Klimbim. „Günters Kleidung, Günters Haare – er war der Mode immer einen Schritt voraus“, sagte einmal Franz Beckenbauer. War Netzer also ein Popstar? „Gut, nennen Sie es Popstar“, sagt er selbst nach einigem Zögern: „Allein, wie ich umhergelaufen bin. Das fand nicht immer meine Zustimmung. Aber ich habe es gemacht, um die Freundinnen zu befriedigen.“

Auf dem Rasen beglückte er vor allem die Fans der Borussia. Längst Legende ist seine Selbst-Einwechslung im Pokalfinale 1973 gegen den 1. FC Köln. „Ich spiele dann jetzt“, sagte er dem verdutzten Trainer Hennes Weisweiler vor der Verlängerung – und entschied die Begegnung mit dem Tor des Jahres zum 2:1. „Wenn man einen Film dreht, mit diesem Happy End, würden alle sagen: so ein Kitsch! Diesen Mist will doch keiner sehen“, sagte Netzer. Mit Weisweiler verband ihn eine Art Hassliebe. „Abseits ist, wenn das lange Arschloch zu spät abspielt“, sagte Weisweiler einmal über Netzer.

Das Pokalfinale war sein letztes Spiel für die Borussia, danach wurde Netzer mit Real Madrid, wie zuvor mit Gladbach, zweimal Meister. In der Nationalmannschaft glänzte er dagegen selten. Sein bestes von nur 37 Länderspielen bestritt er 1972 beim 3:1 in England, dem ersten Sieg Deutschlands auf der Insel. FAZ-Literaturchef Karl Heinz Bohrer erfand daraufhin jenen Satz von der Tiefe des Raumes, der Netzer bis heute begleitet. „Es ist ein toller Satz. Er hat mir einen großen Dienst erwiesen über all die Jahrzehnte“, sagt Netzer.

Den Hamburger SV führte Netzer als Manager zu drei Meistertiteln (1979, 1982, 1983) und dem Triumph im Europapokal der Landesmeister (1983), als ARD-TV-Analyst gewann er an der Seite von Gerhard Delling den Grimme-Preis. Weniger gern spricht der damalige WM-Botschafter Netzer über die Affäre rund um die Vergabe der WM 2006. Behauptungen des ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger, Netzer habe ihm von gekauften Funktionären vor der WM-Abstimmung berichtet, wies dieser empört zurück.

In seiner Geburtsstadt Mönchengladbach ist Netzer ohnehin bis heute ein Held, auch wenn er längst in der Schweiz wohnt. „Unser Verein hat Günter Netzer gemacht. Aber Günter Netzer hat auch Borussia zu dem gemacht, was sie heute ist“, sagte Präsident Rolf Königs in seiner Laudatio. Und so hängt noch immer ein riesiges Netzer-Porträt am Borussia-Stadion, schließlich ist er Teil der Jahrhundert-Elf. Das Maskottchen des Vereins heißt nicht ganz zufällig „Jünter“.

 Günter Netzer wurde nach seiner aktiven Zeit erfolgreicher Unternehmer und TV-Experte.

Günter Netzer wurde nach seiner aktiven Zeit erfolgreicher Unternehmer und TV-Experte.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Was also wünscht sich Günter Netzer zum 75. Geburtstag? „Es gibt keine Wünsche. Ich klopfe immer auf mein Hirn und sage: Es soll bloß nicht besser werden“, sagt Netzer: „Das ist ja das Schöne. Alles ist wunderbar verarbeitet.“

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