Fußball Spionage und geheime Identitäten

Frankfurt · Beim Kampf um Talente geben die Fußball-Bundesligisten wenig bis gar keine Informationen preis. Das zeigt ein Fall vor Gericht.

 Der Frankfurter Traumsturm der vergangenen Saison um Luka Jovic (links) und Sébastien Haller (rechts) war auch ein Produkt der herausragenden Arbeit der Scoutingabteilung. Über deren Arbeit wird aber öffentlich nicht gesprochen, nicht bei der Eintracht, nicht bei anderen Clubs.

Der Frankfurter Traumsturm der vergangenen Saison um Luka Jovic (links) und Sébastien Haller (rechts) war auch ein Produkt der herausragenden Arbeit der Scoutingabteilung. Über deren Arbeit wird aber öffentlich nicht gesprochen, nicht bei der Eintracht, nicht bei anderen Clubs.

Foto: dpa/Arne Dedert

Der Fall beschäftigt das Landgericht Frankfurt. Bereits vor Monaten reichte die bis dahin nur Insidern bekannte „International Soccer Bank“ (ISB) Klage gegen Eintracht Frankfurt ein. Der Vorwurf: Der Verein soll sich über einen Zeitraum von 22 Monaten mit dem Login von Konkurrent RB Leipzig illegal Zugang zu der Scouting-Datenbank verschafft haben.

„Das ist so, als ob man zwei Jahre tankt, aber nie zahlt und einfach weiterfährt“, sagte ISB-Geschäftsführer Jürgen Kost. Die Eintracht räumte ein Vergehen eines Nachwuchstrainers ein, gestritten wird über die Höhe der Ansprüche. „Nach gründlicher Prüfung werden wir die Ansprüche erfüllen, die berechtigt sind – aber nur die“, sagte der vom Verein beauftragte Anwalt Christoph Schickhardt. Im Frühjahr, so hofft Kost, werde vom Gericht endlich die Verhandlung angesetzt. Kost kann das kaum erwarten. Nicht unbedingt des Geldes wegen. Sondern weil sein Unternehmen dann wieder aus den Schlagzeilen verschwindet. Man arbeite schließlich „in einem hochsensiblen Geschäft“.

Das ist das Skurrile an der Geschichte. Sportdirektoren und Manager der Fußball-Bundesliga lassen sich gern dafür feiern, in der kaum zu überblickenden Masse an Talenten das nächste Juwel gefunden zu haben. Und das auch noch für möglichst schmales Geld. Doch über den Weg dahin schweigt man sich lieber aus. Scouts dürfen keine Interviews geben, einige Bundesligisten versuchen sogar, deren Identität gänzlich geheim zu halten.

Sicher ist immerhin, dass die Arbeit der Perlentaucher längst getan ist. Im Winter ist es im Vergleich zur Zeit zwischen zwei Saisons meistens ruhiger. Doch die Transfers der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Januar immer wichtiger wird. „Die größte Möglichkeit, in den Kader entscheidend einzugreifen, hast du im Sommer. Hier und da tun sich aber auch im Winter Gelegenheiten auf, und dann wollen wir vorbereitet sein“, sagt Hertha-Manager Michael Preetz. Leon Bailey (Bayer Leverkusen), Alphonso Davies (Bayern München), Milot Rashica (Werder Bremen) und Thomas Delaney (damals Bremen) sind allesamt im Winter in die Bundesliga gekommen. In der aktuellen Transferperiode hat Borussia Dortmund mit dem norwegischen Stürmer Erling Haaland von Red Bull Salzburg schon richtig zugeschlagen.

Den Ruf als eine der besten Spürnasen hat sich in den vergangenen Jahren Ben Manga erarbeitet. Der Mann ist Kaderplaner bei Eintracht Frankfurt und verhalf dem Club schon vor dem ISB-Skandal zum Traum-Sturm mit Sébastian Haller, Luka Jovic und Ante Rebic. „Ich bin seit 15 Jahren im Geschäft und behaupte, dass ich mehr sehe als andere“, sagte Manga in einem seiner seltenen Interviews einst der „FAZ“. Neben seiner Erfahrung setze er auf „eine Mischung aus Bauchgefühl, Instinkt und Logik“.

Manga reist durch die Welt und schaut sich Fußballspiele an. Fällt ihm ein Spieler auf, spricht er ihn an. Die zwischenmenschliche Ebene hat große Bedeutung. „Wenn du mit ihnen lachen kannst, ist das ganz wichtig“, betonte Manga. Bei Jovic und Haller lachte am Ende auch Eintracht-Manager Fredi Bobic, als Real Madrid und West Ham zusammen 100 Millionen Euro in den Riederwald überwiesen.

Ähnlich ertragreich, aber mit einer anderen Methodik arbeitet Sven Mislintat. Der Sportdirektor des VfB Stuttgart entdeckte für Dortmund einst Mats Hummels, Robert Lewandowski, Shinji Kagawa und Ousmane Dembélé. Dabei kombiniert der 47-Jährige herkömmliches Scouting mit datengestützten Analysen. Mislintats Dortmunder Nachfolger Markus Pilawa meidet öffentliche Statements, dirigiert knapp 30 Scouts unter sich. Die Späher, deren Namen nicht zu erfahren sind, sehen monatlich bis zu 200 Spiele.

Für die gestiegene Bedeutung der Datenanalyse ist Jiri Pavlenka ein Paradebeispiel. Seinen Torwart fand Bremen laut „Bild“-Zeitung nämlich über die eigens für Werder entwickelte Software Scoutastic. Neben Spieldaten und Scouting-Berichten sammelt das Tool Informationen von Social-Media-Seiten. Das dürfte in der heutigen Zeit zur Charaktereinschätzung nicht unwichtig sein.

Auf die Meinung von Experten setzt RB Leipzig. So gehört der frühere Liverpool-Trainer Gerard Houllier zum feinmaschigen Netzwerk in Europa. Der Tabellenführer konzentrierte sich bisher auf die Märkte England, Frankreich und Portugal, fand dort Spieler wie Naby Keita, Dayot Upamecano und Peter Gulacsi. Leipzig hat zudem den Vorteil, beim Werben um den besten Nachwuchs mit seinem Club-Netzwerk hausieren zu können.

Natürlich setzt Leipzig auch Software ein, was nicht zuletzt der ISB-Fall offenbarte. Ein Schaden soll RB durch den Frankfurter Zugriff angeblich nicht entstanden sein. Dennoch dürfte man in Leipzig froh sein, wenn beim künftigen Scouting kein zweiter Club mitliest.

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