Kampf gegen Hass und Hetze im Fußball Die Furcht vor einer „Spirale der Eskalation“

Frankfurt · Der deutsche Fußball steht bei seinem Kampf gegen Hass und Hetze vor der Woche der Wahrheit. Wie reagieren jetzt die Ultras?

 Anhänger von Union Berlin zeigen am Sonntag einen Banner mit dem Schriftzug „Hurensohn“ und dem Abbild von Dietmar Hopp, Mäzen der TSG Hoffenheim, im Fadenkreuz. Es folgte eine Unterbrechung des Bundesliga-Spiels gegen den VfL Wolfsburg.

Anhänger von Union Berlin zeigen am Sonntag einen Banner mit dem Schriftzug „Hurensohn“ und dem Abbild von Dietmar Hopp, Mäzen der TSG Hoffenheim, im Fadenkreuz. Es folgte eine Unterbrechung des Bundesliga-Spiels gegen den VfL Wolfsburg.

Foto: dpa/Andreas Gora

Fußball-Deutschland hält den Atem an. Bange Blicke richten sich auf die DFB-Pokalspiele unter der Woche und die Bundesliga-Partien am kommenden Wochenende. Der ausgerufene Kampf gegen Hass und Hetze in den Stadien steht bereits an diesem Dienstag vor einer großen Bewährungsprobe. Sollte die von Schalke 04 gezogene „rote Linie“ im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen Bayern München (20.45 Uhr/ARD und Sky) übertreten werden, wäre im deutschen Fußball nichts mehr so, wie es bisher war.

Aufgrund der rigorosen Haltung der Schalker, die bei diffamierenden Plakaten und Sprechchören „ungeachtet der Spieldauer, des Resultats oder etwaiger Konsequenzen“ ihre Mannschaft umgehend vom Platz holen wollen, scheint die Gefahr eines Spielabbruchs groß zu sein. Schließlich machen die Schalker mit ihrer Vorgabe aus der bisher geltenden Drei-Stufen-Regel (zweimalige Unterbrechung vor dem Abbruch) einen Ein-Stufen-Plan. Um die Eskalation zu verhindern, wird hinter den Kulissen in Gelsenkirchen fieberhaft gearbeitet. Es gibt „Gespräche mit allen Fangruppierungen mit dem klaren Ziel und der Erwartung, dass sie solches Fehlverhalten nicht tolerieren, geschweige denn unterstützen“, ließ der Club wissen.

Ob diese Gespräche erfolgreich sind, ist fraglich. Bisher haben sich die Ultras nach ihren Anfeindungen vom Wochenende gegen Mehrheitseigner Dietmar Hopp von der TSG Hoffenheim uneinsichtig gezeigt. Zu groß ist die Wut der Gruppierungen über die Rückkehr der Kollektivstrafe für Fans von Borussia Dortmund, die in den kommenden beiden Spielzeiten nicht mehr ins Sinsheimer Stadion dürfen.

Projektleiter Michael Gabriel von der Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS) befürchtet bereits das Schlimmste. „Wenn jetzt die Latte für Spielabbrüche nach unten abgesenkt werden sollte, ist zu befürchten, dass dies dann von den Fanszenen als Aufforderung verstanden werden könnte, es mal darauf ankommen zu lassen“, sagte Gabriel, der eine „Spirale der Eskalation“ erkannt hat: „Mein Wunsch wäre es, dass man jetzt innehält und beide Seiten nach Möglichkeiten suchen, ins Gespräch zu kommen.“

Genau das lehnt Hopp aber ab. „Ich sehe keinen Sinn darin, mich mit Menschen auseinanderzusetzen, denen ich noch nie etwas getan habe, die mich seit Jahren grundlos massiv beleidigen und gar keinen Konsens wollen“, sagte der 79-Jährige. Den Vorwurf aus den Reihen der Fans, wonach die Verantwortlichen dem TSG-Macher „nur“ deshalb zur Seite springen, weil er ein einflussreicher Milliardär sei, weist Hopp zurück: „Beleidigungen gegen jeden Menschen sind zu verurteilen, egal wo und in welcher Form.“ Hopps Anwalt Christoph Schickhardt forderte im SWR drastische Maßnahmen: „Es muss zu Hausdurchsuchungen kommen, da muss man auch mal jemanden einen Tag in der Zelle lassen.“

In diesem Zusammenhang fordert auch Jörg Schmadtke nun eine klare Haltung. „Es ist ja hochinteressant, dass auf der einen Seite sehr deutlich reagiert wird, was ich richtig finde, in anderen Fällen wird aber darüber hinweggeschaut“, sagte der Manager des VfL Wolfsburg, der als Ex-Geschäftsführer des 1. FC Köln bei seiner Rückkehr ebenfalls beleidigt worden war: „Da muss schon eine Eindeutigkeit her.“

Sollte der Konsens hergestellt werden, wonach zukünftig jede Art der Diffamierung nicht mehr toleriert wird, dürfte das weitreichende Konsequenzen haben. Der von Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge angedeutete Rauswurf der Ultras aus den Stadien hat bereits Unterstützer gefunden. Laut Max Eberl, Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach, könnten personalisierte Tickets die Folge sein: „Das heißt aber wiederum: keine Stehplätze mehr.“ Das wollen die Ultras aber auch nicht.

Derweil hat die Berliner Polizei nach den Schmähungen gegen Hopp beim Spiel des 1. FC Union Berlin gegen den VfL Wolfsburg Ermittlungen „wegen des Verdachts der Bedrohung“ aufgenommen. Gegen Ende der ersten Halbzeit der Partie (2:2) am Sonntag hatten Anhänger der Köpenicker ein Plakat mit Hopp-Porträt im Fadenkreuz und einer Beleidigung gezeigt. Deshalb hatte Schiedsrichter Bastian Dankert die Teams zeitweise in die Kabinen geschickt, die Partie stand vor dem Abbruch. In einer Stellungnahme rechtfertigte die Union-Ultragruppierung „HammerHearts 2004“ die Plakate. Der Protest sei „keine Morddrohung. Er ist aber ganz klar provokant und kritisiert eine Person und eine stetige Entwicklung.“

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