Nationalmannschaft Warnzeichen für DFB von der Tribüne

Frankfurt · Die beiden letzten EM-Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft sind nicht ausverkauft. Es droht ein Zuschauerproblem.

 Die Fans breiten vor dem Freundschaftsspiel in Sinsheim gegen Peru eine riesige Deutschland-Fahne auf der Tribüne aus.

Die Fans breiten vor dem Freundschaftsspiel in Sinsheim gegen Peru eine riesige Deutschland-Fahne auf der Tribüne aus.

Foto: dpa/Uli Deck

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Matthias Ginter die Aufforderung ausspricht, doch bitte den nächsten Auftritt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu besuchen. Als einziger Abgesandter vom aktuellen Tabellenführer Borussia Mönchengladbach bewirbt der Abwehrspieler in einem Videoclip das EM-Qualifikationsspiel gegen Weißrussland an diesem Samstag (20.45 Uhr/RTL) im Borussia-Park. „Bei Heimspielen haben wir immer gute Stimmung und sind fast immer ausverkauft“, sagt der 25-Jährige zu Bildern von feiernden Fohlen-Anhängern. Dann fügt der Rio-Weltmeister von 2014 an: „So ähnlich wird es beim Länderspiel sein. Ich hoffe, dass viele Fans den Weg ins Stadion finden.“

Der Appell soll retten, was noch zu retten ist: Bis Anfang der Woche waren erst 28 500 Tickets für eine Begegnung verkauft, in der die Nationalmannschaft den Haken an die Zulassung zur EM-Endrunde 2020 machen will. Ähnliche Lücken zeichnen sich drei Tage später in der Frankfurter Arena ab: Für die letzte Qualifikationspartie gegen Nordirland (19. November) sind knapp 36 000 Karten verkauft. Die Resonanz ist deshalb enttäuschend, weil Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt mit ihrem Besucherschnitt (jeweils 49 460) an Platz vier und fünf der Bundesliga-Zuschauertabelle stehen.

Und so spricht sogar Joachim Löw das Problem an. „Sehr freuen würde uns, wenn die Stadien gut gefüllt wären, gerade die jungen Spieler brauchen die Unterstützung unserer eigenen Fans“, teilte der Bundestrainer mit. Unabhängig von den Ergebnissen wolle man alles tun, um sich „mit Mut, Herz und Spielfreude aus diesem nicht immer einfachen Länderspiel-Jahr zu verabschieden”.

Doch die Kundschaft ist bei seiner Mannschaft vermehrt misstrauisch geworden. Schon beim Freundschaftsspiel gegen Argentinien (2:2) waren in Dortmund große Tribünenbereiche gar nicht erst geöffnet worden. Für dortige Verhältnisse enttäuschende 45 197 Zuschauer erlebten einen durch viele Absagen entwerteten Test. Muss der DFB seine Preispolitik anpassen? In den Kurven kostet es 25 Euro (für Mitglieder vom Fanclub Nationalmannschaft 15 Euro), auf der Gegengerade und Haupttribüne 60 beziehungsweise 80 Euro. Und es ist ja eine nette Geste, dass Kinder auf allen Plätzen nur zehn Euro bezahlen, aber die Anstoßzeit von 20.45 Uhr ist für viele Knirpse ein K.o.-Kriterium. Speziell unter der Woche. In der Bundesliga beträgt der durchschnittliche Eintrittspreis knapp 26 Euro. Die Nationalmannschaft als vermeintliches Premiumprodukt liegt deutlich drüber, zumal – wie bei Europapokal-Spielen der Clubs – ausschließlich Sitzplätze angeboten werden können.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat bislang darauf verwiesen, dass das Interesse an der Nationalmannschaft „noch immer sehr, sehr groß ist und die Leute gerne ins Stadion kommen“. Tatsächlich strömten seit 2006 insgesamt 3,87 Millionen Menschen zu 84 Heim-Länderspielen. Im Schnitt also rund 46 000. Die Auslastung in Deutschland (93 Prozent) ist besser als in England, Frankreich, Spanien oder Italien. Doch in 2019 könnte der durchschnittliche Länderspiel-Besuch erstmals auf einen Negativwert aus 2009 (39 637) fallen.

Zuvor waren in diesem Jahr allen Unkenrufen zum Trotz die ersten drei Begegnungen gegen Serbien (1:1) in Wolfsburg, gegen Estland (8:0) in Mainz und gegen die Niederlande (2:4) in Hamburg ausverkauft. Und in 2018 hatte sich der oft beschworene Zuschauerschwund noch als Mythos entpuppt, fanden doch fünf von sieben Heimspielen vor vollen Rängen statt. Sollte die Nationalmannschaft als wirtschaftliches und sportliches Zugpferd dauerhaft beim Zuschauerzuspruch einbüßen und sich geringeres Interesse auch bei Sponsoren oder Fernsehanstalten abbilden, bekäme der Verband ein gewaltiges Problem.

Mönchengladbach hatte den DFB-Zuschlag für ein EM-Qualifikationsspiel bekommen, weil der Spielort wie bei der WM 2006 auch für die EM 2024 durchs Rüttelsieb gerauscht ist. Bei Frankfurt war die Gemengelage nicht viel anders: Eigentlich hätte der DFB-Stammsitz bereits das erste Freundschaftsspiel nach der WM 2018 erleben sollen, doch nachdem bei einem Montagsspiel von Eintracht Frankfurt die Fans auf die Barrikaden gingen, setzte sich der damalige Präsident Reinhard Grindel für eine Verlegung ein. Letztlich wurde das Freundschaftsspiel gegen Peru (2:1) dann in Sinsheim ausgetragen.

Aktuell besteht noch das Problem, dass Frankfurt und Gladbach durch die Europa-League-Teilnahme eine Vielzahl von stimmungsvollen Höhepunkten erleben. Und weil prägende Fangruppierungen wie die Ultras fast schon aus Überzeugung keine Länderspiele unterstützen, ist die Zusammensetzung einer Länderspiel-Kulisse gänzlich anders. Die DFB-Auswahl muss Festspiele inszenieren, um den Stimmungspegel zu heben. Dafür gaben allerdings in jüngster Zeit die wenigsten Auftritte wirklich Anlass. Insofern könnte die eine oder andere Werbeaktion auf taube Ohren stoßen.

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