Belfodil ist der Spieler der Stunde in der Bundesliga Der Brecher aus der Banlieue

Sinsheim · Hoffenheims Ishak Belfodil ist mit sieben Toren und vier Vorlagen in den letzten fünf Partien der "Spieler der Stunde" in der Bundesliga.

 Willst du viel, nimm Belfodil. Seinen Gegenspielern schmeckt der Name des Hoffenheimer Stürmers, der wie ein Medikament klingt, derzeit bitter. Der 27-Jährige ist so gut wie nicht zu stoppen.

Willst du viel, nimm Belfodil. Seinen Gegenspielern schmeckt der Name des Hoffenheimer Stürmers, der wie ein Medikament klingt, derzeit bitter. Der 27-Jährige ist so gut wie nicht zu stoppen.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Ab und zu kickt Ishak Belfodil immer noch mit seinen alten Freunden in Élancourt. Dabei gilt der Pariser Vorort nicht unbedingt als idealer Platz für Freizeitaktivitäten. Gewalt, Drogenhandel und Kriminalität in jeder Fasson sind in der 25 000 Einwohner zählenden Banlieue an der Tagesordnung. Den Torjäger des Fußball-Bundesligisten TSG Hoffenheim, der in den vergangenen fünf Partien mit sieben Toren und vier Vorlagen glänzte, zieht es dennoch immer wieder an den Ort seiner Jugend zurück.

„Ich hatte hier eine schöne Kindheit, auch wenn wir nicht viel besaßen“, erinnert sich Belfodil: „Die Kinder aus dem Viertel und ich haben ständig Fußball gespielt, wir hatten viel Spaß. Auch wenn es dort Leute gab, die aufgrund von Armut, Arbeitslosigkeit und fehlender Perspektive auf dumme Gedanken gekommen sind.“

Diese Sorgen plagen die Familie Belfodil aufgrund des Erfolgs von Ishak längst nicht mehr. Und dennoch lebt der „Clan“ des gebürtigen Algeriers mit den drei Schwestern und zwei Brüdern nach wie vor in Élancourt.

Die Familie will aus dem arabisch und afrikanisch geprägten Ort nicht weg. Und auch der TSG-Profi ist nach wie vor gerne gesehen. „Wenn ich zurückkomme, bin ich kein Star“, betont Belfodil. Die alten Kumpels „freuen sich für mich, dass ich es geschafft habe“, äußerte der 27-Jährige: „Für sie fühlt es sich dadurch ein bisschen so an, als hätten sie es auch geschafft.“

Um den Durchbruch zu schaffen, ging Belfodil früh auf Reisen. Mit 16 Jahren brach er zu einer wahren Odyssee auf. Lyon, Bologna, Parma, Mailand, Abu Dhabi, Lüttich, Bremen – das waren die Stationen des Stürmers, bevor er in Hoffenheim landete und einen Vertrag bis 2022 unterschrieb. 5,5 Millionen Euro hat die TSG im vergangenen Sommer für Belfodil an Standard Lüttich überwiesen, zuvor hatten die Belgier den Stürmer an Werder ausgeliehen.

Heidelberg ist die aktuelle Heimat von Belfodil, der mittlerweile fünf Sprachen spricht. Am Neckar wohnt er mit seiner Frau und den beiden Kindern. Der Profi ist gläubig, betet fünf Mal am Tag und liest den Koran – auch dies habe ihn vor Dummheiten bewahrt und auf dem Weg nach oben geholfen, sagte er einmal.

Doch wohin Belfodil in der Vergangenheit auch immer reiste – der Antrieb für die Anstrengungen lag immer in Élancourt. „Ich wusste, dass ich außerhalb meines Viertels das Doppelte leisten muss, um die gleichen Chancen zu haben“, sagt der wuchtige Angreifer, für den mittlerweile 15 Saisontore zu Buche stehen: „Hinzu kommt, dass man nicht nur an sich denkt, sondern an die ganze Familie, die viele ärmere Mitglieder hat.“

Und obwohl sich Belfodil bei der TSG „sehr wohl“ fühlt, hält er deshalb nichts von Treueschwüren: „Es ist normal, dass man sich mit jedem Angebot auseinandersetzt“, äußert der algerische Nationalspieler: „Die Fußball-Romantik habe ich schon lange verloren.“

Romantische Gefühle fehlten bei Belfodil auch in seiner Anfangszeit in Hoffenheim, wo er unter anderem wegen einer verpassten Video­sitzung aus dem Kader für das erste Spiel in der Champions League bei Schachtjor Donezk geworfen wurde. Doch mittlerweile schwärmt Trainer Julian Nagelsmann von seinem „Krokodil“, dem in den vergangenen Wochen sogar zwei Tore (Schiedsrichter-Fehler und Abstauber von Sturmkollege Andrej Kramaric kurz vor der Torlinie) geklaut wurden. Belfodil scheint momentan nicht zu stoppen. Beim 4:0-Sieg Anfang April beim FC Augsburg erzielte er beispielsweise in nur 21 Minuten einen lupenreinen Hattrick.

Dabei hatte er zu Beginn Anlaufzeit benötigt. „Es ist normal bei uns, dass Neuzugänge ein bisschen Zeit brauchen. Im Winter war er nicht ganz zufrieden. Wir haben ihm zur Geduld geraten“, sagt Nagelsmann: „Nun ist seine Bilanz außergewöhnlich. Mittlerweile können seine Mitspieler seine Qualitäten besser einschätzen. Er hat außergewöhnliche Fähigkeiten beim Eins-gegen-Eins, läuft sich im richtigen Moment frei. Er hat Tempo und ist eklig zu verteidigen.“

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