Interimstrainer stellt sich vor Willig will „die Spieler aus der Tristesse holen“

Stuttgart · Trainer-Novize aus der U19 soll den Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart vor dem Abstieg retten.

Die Schweißperlen auf der hohen Stirn von Nico Willig verrieten nicht nur Nervosität. Als sich der Interimstrainer des abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart am Mittwoch vorstellte, platzte der Presseraum aus allen Nähten. Stickig und heiß war es, doch Willig akklimatisierte sich schnell. Der 38-Jährige, der an diesem Samstag gegen Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr/Sky) zum ersten Mal an der Seitenlinie stehen wird, legte in den 32 Minuten seine Schüchternheit rasch ab und wurde deutlich.

„Ich will die Spieler aus der Tristesse holen. Und ich will einen aktiven Spielstil entwickeln. Wir müssen dauerhaft online und in ständiger Angriffsbereitschaft sein“, sagte Willig: „Ich möchte Energie in die Mannschaft bringen – aber ihr auch einen Plan mitgeben.“

Willig, der zuvor die A-Junioren der Stuttgarter betreute, war am Samstag als Folge des 0:6 (0:3) im schwäbischen Derby beim FC Augsburg zum Nachfolger von Markus Weinzierl aufgestiegen. Die höchste Bundesliga-Pleite seit November 1985 (0:6 bei Werder Bremen) hatte den eigentlich um Kontinuität bemühten Sportvorstand Thomas Hitzlsperger zum Handeln gezwungen. Mit einem Schnitt von 0,7 Punkten pro Spiel ist Weinzierl der bisher schlechteste Trainer der Clubgeschichte. Seine katastrophale Bilanz hat dazu geführt, dass der VfB vier Spieltage vor Saisonende auf dem Relegationsplatz liegt. Die Stuttgarter haben drei Punkte Vorsprung auf den Vorletzten 1. FC Nürnberg und liegen sechs Zähler hinter Schalke 04 auf Platz 15.

„Ich will den ‚Relegationspokal‘ holen. Und ich möchte Akribie und Fleiß vorleben. Nur die Zügel anzuziehen – das wäre draufhauen. Es braucht auch Verständnis. Ich brauche Zugang zu den Spielern“, äußerte Willig, dessen Mission in jedem Fall nur bis zum Saisonende gehen wird: „Mit dieser Konstellation habe ich gar kein Problem. Das macht es mir sogar leicht, weil ich es als Projekt sehen kann.“

Der Schwabe, der als Spieler nicht über die Oberliga hinauskam, hat die U19 auf Rang eins in der Bundesliga Süd/Südwest und ins Pokalfinale geführt. Er blickt auf fast 16 Jahre als Trainer zurück, war aber nur ein Jahr im Männerbereich tätig – bei seinem Stammverein TSG Balingen in der Oberliga Baden-Württemberg (Platz 13, Saison 2013/14), heute in der Regionalliga Südwest.

Hitzlsperger hat das nicht abgeschreckt. „Die ersten Eindrücke sind sehr positiv. Ich fühle mich bestätigt in meiner Auswahl“, sagte der Sportchef über Willig – der in einer Fahrgemeinschaft mit Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco zum Fußballlehrer-Lehrgang nach Hennef pendelte. Seinen früheren Mitschüler Nagelsmann sieht Willig neben Jürgen Klopp und Christian Streich als Vorbild.

Mit Blick auf das Spiel am Samstag erbat sich Willig noch Bedenkzeit, was Taktik und Personal angeht. Der Trainer machte dennoch klar: „Es wird sich definitiv etwas verändern.“ Sollte Willig keinen Erfolg haben, könnten die Stuttgarter einen dritten Absturz aus der Bundesliga nach 1975 und 2016 immerhin wirtschaftlich verkraften. „Auch bei einem Abstieg müssten wir keine Notverkäufe machen“, sagte Präsident Wolfgang Dietrich.

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