Fifa/Sportpolitik Zweifelhafte Glaubwürdigkeit

Rio de Janeiro · Brasiliens Fußballmacher waren jahrelang bestechlich. Dass es unter dem neuen Präsidenten Caboclo besser wird, bezweifeln viele.

  Rogerio Caboclo (links) wird von Fifa-Präsident Gianni Infantino zur Wahl als neuer Präsident des brasilianischen Fußballverbandes beglückwünscht.

Rogerio Caboclo (links) wird von Fifa-Präsident Gianni Infantino zur Wahl als neuer Präsident des brasilianischen Fußballverbandes beglückwünscht.

Foto: AP/Eraldo Peres

Dem einen wurden die Hände geschüttelt, dem anderen gefesselt. Als Rogerio Caboclo sein Amt als neuer Präsident des brasilianischen Fußballverbandes CBF antrat, applaudierte ihm Fifa-Boss Gianni Infantino kräftig in der ersten Reihe. Zufall oder nicht: Sechs Tage später, am vergangenen Montag, ließ der Weltverband einen von Caboclos Vorgängern dagegen endgültig fallen. Die Ethikkommission der Fifa sperrte José Maria Marin lebenslang.

Dumm nur: Beide entstammen dem selben Schmiergeld-Clan. Der eine als Marionette des langjährigen CBF-Diktators Ricardo Teixeira (71), der andere als Ziehsohn von Marco Polo Del Nero (78), von den Fifa-Ethikern schon im April 2018 aus dem Fußball verbannt. Das Herrscher-Duo setzt aus Furcht vor einer Verhaftung heute keinen Fuß mehr vor die Tür Brasiliens, genießt daheim aber von der Justiz unbehelligt den gehorteten Luxus. Dagegen fristet Marin, mit 86 Jahren schon ein Greis, als Bauernopfer der korrupten brasilianischen Funktionärs-Clique einen kargen Lebensabend im Bundesgefängnis Allenwood im US-Bundesstaat Pennsylvania. Vor Juni 2021 wird mit einer Freilassung des einstigen CBF-Präsidenten, der sich als OK-Chef der WM 2014 am Zuckerhut noch eitel im Fokus sonnte, nicht gerechnet.

Für das Verschachern von TV- und Marketingrechten der kontinentalen Turniere Copa America und Copa Libertadores sowie des nationalen Pokal-Wettbewerbs in seiner Amtszeit (März 2012 bis April 2015) soll der ehemalige Gouverneur von Sao Paulo mindestens 6,5 Millionen US-Dollar (5,75 Millionen Euro) unter der Hand bekommen haben. Seine Verhaftung im Mai 2015, zusammen mit sechs weiteren führenden Funktionären, löste dann den Fifa-Skandal aus. Schon da ließ ihn der sich gerade einen Monat im Amt befindliche Nachfolger Del Nero im Stich, flüchtete Hals über Kopf wenige Stunden vor dem Fifa-Kongress mit der ausgemachten Wiederwahl des damaligen Präsidenten Joseph S. Blatter Richtung Heimat – und mischte immerhin bis zur Ernennung Caboclos zum neuen CBF-Chefs, gemäß der Statuten im April 2018 erfolgt, noch die Karten.

Doch Caboclo versprach in seiner Antrittsrede den Kampf gegen die betrügerischen Traditionen. „Ich bin mir bewusst, dass das Image der CBF in den letzten Jahren verschlissen worden ist. Dem werde ich jetzt mit einer energischen Kontrolle und der rigorosen Anwendung des Ethik-Kodex entgegnen“, sagte der 46-Jährige, der sich unter den Verbandspräsidenten Marin und Del Nero im Regionalverband Sao Paulo hochdiente. Weshalb auch der 1000-Tore-Torjäger und heutige Senator Romario per Twitter konstatierte: „Caboclo ist die Fortsetzung der letzten Verbandsführungen, die von Korruption, Verhaftungen und Verbannungen aus dem Sport gekennzeichnet sind.“ Der 53-Jährige kündigte in seinem Twitter-Kanal in seinem unermüdlichen Kampf im Kongress gegen den Filz im Fußball „in Kürze Neuigkeiten“ an.

Caboclo war im April 2018 als einzig angetretener Kandidat mit 135 der 141 möglichen Stimmen gewählt worden. Für Infantino wird der Fifa-Wahlkongress im Juni in Paris ebenfalls zum (gemütlichen) Alleingang. Demokratie sieht eigentlich anders aus. Und so bleibt der Stallgeruch haften. Von Blatter, von Teixeira, von Del Nero und vor allem von Marin.

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