Sommermärchen-Affäre 6,7 Millionen Euro und viele Fragen

Berlin · Am Montag beginnt in der Schweiz der „Sommermärchen-Prozess“ um eine ominöse Millionenzahlung rund um die WM 2006.

 Die drei Ex-DFB-Funktionäre Horst R. Schmidt (links), Theo Zwanziger (Zweiter von links) und Wolfgang Niersbach (rechts) müssen sich ab Montag in der Schweiz vor einem Gericht wegen einer ominösen Millionenzahlung verantworten. Franz Beckenbauer (Zweiter von rechts) soll als Zeuge aussagen.

Die drei Ex-DFB-Funktionäre Horst R. Schmidt (links), Theo Zwanziger (Zweiter von links) und Wolfgang Niersbach (rechts) müssen sich ab Montag in der Schweiz vor einem Gericht wegen einer ominösen Millionenzahlung verantworten. Franz Beckenbauer (Zweiter von rechts) soll als Zeuge aussagen.

Foto: dpa/DB Kunz

Was Mohamed bin Hammam wohl gerade umtreibt? Sollte der 70-Jährige, einst eine der skandalösesten Figuren im Weltfußball, auch nur am Rande verfolgen, welche Wirrungen der Prozess um das deutsche Sommermärchen 2006 in der Schweiz nimmt, es dürfte ihn erheitern. Zuletzt stand die an diesem Montag um 9 Uhr beginnende Verhandlung vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona wegen des Coronavirus kurzzeitig auf der Kippe, jetzt findet sie unter Ausschlus der Öffentlichkeit statt. Zudem wird bei jeder Person wegen des Virus bei Eintritt in das Gerichtsgebäude die Körpertemperatur gemessen. Und es drohen Prozesstage ohne die drei angeklagten Ex-Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes. Deher beginnt die Hauptverhandlung erst am Mittwoch.

Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger, der sich zusammen mit seinem Nachfolger Wolfgang Niersbach, dem früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt und dem Schweizer Urs Linsi – einst Fifa-Generalsekretär – verantworten soll, hat eine Reise in die Schweiz ausgeschlossen. Der 74-Jährige leidet an den Folgen von zwei Augenoperationen, zudem treibt ihn die Sorge vor Sars-CoV-2 um. Er spricht von „beachtlichen gesundheitlichen Risiken“. Niersbach (69) und Schmidt (78) argumentieren ähnlich, auch Niersbach wird laut seinen Anwälten auf ärztlichen Rat hin nicht kommen. Linsi, 70 Jahre alt, hingegen werde am Montag vor Gericht erscheinen, „wenn nichts dazwischen kommt“, sagte ein Sprecher des Angeklagten.

Dem Quartett wird ungetreue Geschäftsbesorgung vorgeworfen. Als Zeugen sind Ex-Fifa-Boss Joseph Blatter, Günter Netzer und der damalige WM-Organisationschef Franz Beckenbauer geladen. Geplant sind zunächst zwölf Prozesstage. Laut Plan sollen Blatter und Netzer am 12. März befragt werden. Beckenbauer wäre tags darauf an der Reihe. Das Verfahren gegen den 74-Jährigen war wegen dessen Gesundheitszustandes abgetrennt worden. Ob er erscheint? Auch eine Videoschalte wäre möglich.

Das Gericht steht unter Zeitdruck: Spätestens am 27. April muss ein erstes Urteil gefällt werden, weil sonst die Verjährung eintritt. Eine Gefängnisstrafe haben die deutschen Funktionäre ohnehin kaum zu befürchten, laut „Spiegel“ wurde ihnen „freies Geleit“ nach Deutschland zugesichert.

Zur Aufklärung des Skandals um die ominöse Zahlung von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2005 hat bislang keiner erhellende Details beigetragen. Die Affäre wurde bereits 2015 aufgedeckt. Seitdem ermittelten die Behörden in Frankfurt und der Schweiz. Der DFB beauftragte selbst eine Anwaltskanzlei mit Nachforschungen. Die Ergebnisse blieben überschaubar, was auch an Bin Hammam liegt. Beim damaligen Fifa-Finanzchef landete 2002 eine Zahlung derselben Summe, angewiesen von Beckenbauer und dessen Vertrauten. Der frühere Organisationschef der WM 2006 hatte sich das Geld beim Unternehmer Robert Louis-Dreyfus geliehen. Die Begründung: Das Geld habe für einen millionenschweren Zuschuss der Fifa zum späteren Sommermärchen fließen müssen. Der Weltverband selbst bestreitet diese Version.

Der wahre Zweck der Überweisung von 2002 bleibt deshalb weiter ungeklärt. Eine Bestechungszahlung im Fifa-Präsidentschaftswahlkampf? Oder eine Überweisung für die nötigen Stimmen bei der WM-Vergabe nach Deutschland im Jahr 2000? Der DFB tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf. „Scheinbar sind da Sachen gelaufen, die man nur kriminell nennen kann“, sagte der neue DFB-Präsident Fritz Keller. Er äußerte die „größte Bitte, endlich mit der Wahrheit auf den Tisch zu kommen, damit wir uns nicht mehr mit so etwas beschäftigen müssen“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort