DFB-Präsident Fritz Keller Die Orientierungsphase des Neuen läuft noch

Frankfurt · Fritz Keller ist seit rund drei Monaten Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. Seine 100-Tage-Bilanz ist durchwachsen.

 Der neue Präsident Fritz Keller steht beim Deutschen Fußball-Bund vor großen Herausforderungen.

Der neue Präsident Fritz Keller steht beim Deutschen Fußball-Bund vor großen Herausforderungen.

Foto: dpa/Andreas Gora

Beim Blick auf den Höhepunkt 2020 kommt der ambitionierte Unternehmer vergangener Tage zum Vorschein. „Es wäre fantastisch, im Halbfinale, und wenn es geht gerne auch im Endspiel, nach Wembley zurückzukehren“, umreißt Fritz Keller seine EM-Ziele. Bei der Wahl des Winzers zum Präsidenten vor drei Monaten war die Rückkehr in ruhigeres Fahrwasser der große Wunsch des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Knapp 100 Tage später ist allerdings klar, dass beim krisengeplagten Verband kurz vor seinem 120. Geburtstag am 28. Januar nicht alles fantastisch läuft.

Wie sehr der größte Einzelsportverband der Welt noch mit den Auswirkungen der zurückliegenden Affären zu kämpfen hat, wurde erst vor wenigen Wochen wieder sichtbar. Mitte Dezember musste der DFB einräumen, dass er weiterhin keinen direkten Einfluss auf die wegweisenden Entscheidungen im Weltfußball haben wird. Der Verband bleibt beim Council des Weltverbands Fifa außen vor, da Vizepräsident Rainer Koch entgegen den vorherigen Planungen im März auf eine Kandidatur für einen Platz im wichtigsten Fußball-Gremium verzichten wird.

Nach dem Wunsch Kellers ist die Rückkehr des Verbands ins Fifa-Council zwar nur verschoben, dennoch verliert der DFB wertvolle Zeit. Schließlich wollte der Verband das Porzellan, das von Ex-Präsident Reinhard Grindel rund um dessen Rücktritt im Frühjahr zerschlagen worden war, so schnell wie möglich wieder kitten.

Reparaturarbeiten stehen für den DFB, der Koch im Vorfeld der Heim-EM 2024 wenigstens in das Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (Uefa) bringen möchte, 2020 in vielen Bereichen an. Vor allem die Nationalmannschaft ist gefordert. Bei der EM soll sie Wiedergutmachung für das Vorrunden-Aus bei der WM 2018 betreiben. Ob das in der Vorrundengruppe mit Weltmeister Frankreich und Titelverteidiger Portugal gelingt, ist offen – für Keller ist die Auslosung aber „kein Lospech, sondern ein Glücksfall. Nun kommt es schon in der Vorrunde zu den Partien, die alle Fußballfans sehen wollen.“

Dennoch macht er keinen Hehl daraus, dass die Weltspitze bei den Männern wie bei den Frauen „uns derzeit ein Stück enteilt ist“. Um den Frauenfußball weiter zu fördern, regt Keller an, „dass noch mehr Proficlubs in Deutschland dem Vorbild Englands folgen und den Fußball in seiner Gesamtheit, als Einheit von Frauen- und Männerfußball, verstehen“. Bislang haben die Männer-Bundesligisten nur vereinzelt erfolgreiche Frauen-Abteilungen, etwa Meister VfL Wolfsburg und der FC Bayern. „Wenn alle die Förderung des Frauenfußballs als ihre Aufgabe begreifen und wahrnehmen, werden wir zu anderen Nationen wieder aufschließen.“

Offen ist auch, ob der DFB unter Keller seine anderen Probleme in den Griff bekommt. Dazu zählt die Gewalt im Amateurbereich, bei der sich der Verband Hilfe vom Staat erhofft. Straftaten sollen zur Anzeige gebracht und von den Behörden strafrechtlich verfolgt werden. Wenn es nach Keller geht, muss der Verband solche Vorfälle zukünftig weitgehend ausmerzen. Ganz oben auf der Agenda des 13. DFB-Präsidenten steht schließlich „die Wertevermittlung“. Kellers Ziel ist es, „den DFB auch vom Image her wieder dahin zu bringen, wo er mal war“.

Zu diesem Zweck will sich der Verband seiner gesellschaftlichen Verantwortung mehr als bisher stellen und demokratische Werte verteidigen. Deshalb möchte Keller mit „internen und externen Interessengruppen“ ein Leitbild entwickeln. Gleichberechtigung, Integration, Klimaschutz – bei all diesen Themen ist der DFB mit seinen rund sieben Millionen Mitgliedern gefragt.

Das weiß auch Keller. Der Verband werde den Schwierigkeiten „nicht ausweichen“, gab das Patenkind von Fritz Walter zu Protokoll: „Der Fußball kann gesellschaftliche Probleme nicht alleine lösen, aber wir haben die Verpflichtung, jegliche Form von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung im Keim zu bekämpfen.“ Noch ist aber nicht klar, welche Mittel der DFB einsetzen kann. Erst die Ergebnisse der Generalinventur werden das zeigen. Sicher ist, dass der Verband sparen muss – andernfalls droht ein Defizit. Für den Bau der 150 Millionen Euro teuren Zentrale plus Akademie nimmt der DFB einen Kredit auf, die Hälfte der Rücklagen (107 Millionen Euro) werden aufgebraucht. Der Finanzplan des Verbands, der 2020 die Trennung zwischen den wirtschaftlichen und den gemeinnützigen Aufgaben umsetzen will, sieht bis 2022 lediglich ausgeglichene Haushalte in Höhe von rund 400 Millionen pro Jahr vor – ohne Gewinn.

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