Basketball Die einst Unbesiegbaren wirken peinlich

Shanghai · Die Basketball-WM in China ist so stark besetzt wie nie. Das gilt aber nicht für den Titelverteidiger USA. Er tritt ohne Superstars an.

 US-Nationaltrainer Gregg Popovich (rechts) bespricht sich mit seinem Topspieler Kemba Walker.

US-Nationaltrainer Gregg Popovich (rechts) bespricht sich mit seinem Topspieler Kemba Walker.

Foto: AP/Marcio Jose Sanchez

Es gibt für die chinesischen Autogrammjäger nicht wirklich was zu holen, wenn das Team USA an diesem Donnerstag in den Morgenstunden in Shanghai einfliegt. Kein LeBron James, kein Stephen Curry, kein James Harden, kein Kawhi Leonard. Die US-Superstars aus der Profiliga NBA haben die Daumen vor der Basketball-WM allesamt gesenkt. Der Titelverteidiger bleibt zwar irgendwie der Favorit bei der wohl besten WM aller Zeiten, doch Zweifel sind angebracht.

Nach zwei WM-Turnieren ohne Niederlage hat der Rekordsieger USA die Chance, als erstes Team den Hattrick zu schaffen. 2010 waren allerdings Topleute wie Kevin Durant, Russell Westbrook, Curry oder Kevin Love dabei. Und 2014 Curry, Harden, Kyrie Irving, Anthony Davis und Klay Thompson. Diesmal wird die Mission ungleich schwieriger, die Konkurrenz wittert ihre Chance. Erste Botschaften hat es gegeben – schon vor der Niederlage im Test gegen Australien.

Sasa Djordjevic, als Trainer der Serben bei der WM 2014 im Finale an den Amerikanern gescheitert, will Revanche. „Lass sie ihren Basketball spielen, wir spielen unseren, und dann gnade ihnen Gott“, sagte der frühere Coach von Bayern München im serbischen Fernsehen forsch. Er denke – angesprochen auf seine Favoriten – nicht an das Team USA, sondern an Griechenland, Russland oder Frankreich.

Tatsächlich ist es kein Team US- A, noch nicht einmal ein Team US-B, maximal ein Team US-C. Allein im Juli sagten mehr als zehn Spieler ab. Kemba Walker von den Boston Celtics ist der größte Name, mit Harrison Barnes (Sacramento Kings) ist immerhin ein Rio-Olympiasieger dabei, mit Mason Plumlee (Denver Nuggets) ein Weltmeister von 2014. Natürlich stehen ausschließlich NBA-Profis im Aufgebot, natürlich ist die Mannschaft stark. Aber eben nicht übermächtig. Und meilenweit entfernt von dem einstigen Dream Team um die Legenden Michael Jordan, Magic Johnson und Larry Bird, das bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona die Sportwelt begeisterte.

Das wurde erst am vergangenen Wochenende in Melbourne deutlich. Vor über 50 000 Zuschauern verloren die Amerikaner gegen Gastgeber Australien mit 94:98. Da war das 102:86 zwei Tage zuvor im ersten Duell schnell vergessen. Das Signal ging um die Welt: Diese USA sind schlagbar. In der Vorrunde geht es gegen die Türkei, Tschechien und Japan, das sollte kein Problem sein. In der Zwischenrunde drohen die Griechen um NBA-Superstar Giannis Antetokounmpo, der die Gunst der Stunde nutzen möchte. Im Viertelfinale könnte es gegen die deutsche Mannschaft gehen.

„Es wird, aber es gibt noch vieles zu verbessern“, sagte US-Nationaltrainer Gregg Popovich am Dienstag nach der erfolgreichen Generalprobe gegen Kanada in Sydney (84:68): „Das Potenzial ist gut.“ Popovich, Erfolgscoach der San Antonio Spurs, tritt ein schweres Erbe an. Denn sein Vorgänger Mike Krzyzewski hat fast alles gewonnen. Drei Mal Olympiasieger (2008, 2012, 2016), zwei Mal Weltmeister (2010, 2014) – eine unvergleichliche Bilanz.

Popovich, mit den Spurs fünf Mal NBA-Champion, will nicht klagen. „Niemand wird auf ewig siegen“, sagte der 70-Jährige. Er ist auch ein Opfer des neuen Kalenders. Früher lagen zwischen WM und Olympia zwei Jahre, jetzt ist es nur noch eines. Dass Superstars wie LeBron James (34) in diesem Sommer pausieren, weil sie lieber 2020 in Tokio spielen wollen, ist keine Überraschung. Und so titelte die LA Times: „Gregg Popovich wird der größte Star des Teams USA sein.“ Und über die Kaderzusammenstellung schrieb die Zeitung stellvertretend für die Meinung im Land und auf der Welt: „Team USA ist ein bisschen peinlich geworden – wie jemand, der späte Einladungen zu einer Hochzeit verschickt, auf die nur ein Nein als Antwort kommt.“

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