Motorsport René Rast: Warum die Mechaniker vom neuen DTM-Meister manchmal die Nase voll haben

Nürburgring · Audi-Pilot René Rast ist in der DTM derzeit eine Klasse für sich. Am Nürburgring hat er sich am Sonntag vorzeitig seinen zweiten Meister-Titel gesichert. Dennoch stinkt es seinen Mechanikern manchmal. Ein Porträt des neuen Meisters.

 Strahlemann: René Rast feierte am Nürburgring seinen zweiten Titelgewinn in der DTM - und das innerhalb von nur drei Jahren. So schnell hat das vor ihm noch niemand geschafft.

Strahlemann: René Rast feierte am Nürburgring seinen zweiten Titelgewinn in der DTM - und das innerhalb von nur drei Jahren. So schnell hat das vor ihm noch niemand geschafft.

Foto: dpa/Thomas Frey

Nach seinem zweiten Meisterstück in drei Jahren hagelte es Glückwünsche und Schultergeklopfe für René Rast (32). Das wohl gewichtigste Lob aber kam von Gerhard Berger, dem ehemaligen Formel-1-Haudegen und jetzigen Chef der DTM. „René ist einfach ein besonderer Fahrer. Wenn er nur etwas jünger wäre, wäre er absolut ein Kandidat für die Formel 1. Das Zeug dazu hat er.“ Berger muss es wissen. Der Österreicher war jahrelang für die Top-Teams von McLaren und Ferrari in der Königsklasse gefahren. Was ihm an Rast besonders imponiert: „René ist unglaublich fleißig, arbeitet hart, überlässt nichts dem Zufall. Der Kerl ist einfach richtig gut. Bei Sonne, bei Regen, einfach immer. Er ist das Maß der Dinge."

 Rast rast zum Titel: Mit einem Sieg am Samstag und Platz drei am Sonntag sicherte sich René Rast am Nürburgring die notwendigen Punkte zum vorzeitigen Titelgewinn.

Rast rast zum Titel: Mit einem Sieg am Samstag und Platz drei am Sonntag sicherte sich René Rast am Nürburgring die notwendigen Punkte zum vorzeitigen Titelgewinn.

Foto: dpa/Juergen Tap

Die Bild-Zeitung adelte den Audi-Piloten sogar schon zum „Schumi der DTM“ – das größte Lob, das die Zeitung verteilen kann. Rast selbst ist so etwas eher peinlich. Für jemanden, der in der DTM seit seinem Einstieg vor drei Jahren einen erstaunlichen Höhenflug hingelegt hat (zwei Titel und eine Vizemeisterschaft), ist der 32-Jährige erstaunlich geerdet. „Ich glaube nicht, dass ich überaus talentiert bin“, sagt Rast. Und das ist nicht einmal eine Koketterie.

 Die Nummer eins: Nicht nur für DTM-Chef Gerhard Berger ist René Rast derzeit das „Maß der Dinge“ in der DTM.

Die Nummer eins: Nicht nur für DTM-Chef Gerhard Berger ist René Rast derzeit das „Maß der Dinge“ in der DTM.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Rast gibt zu: „Ich bin nicht derjenige, der sich ins Auto setzt und direkt schnell ist. Das können andere viel besser. Ich muss erst alles verstehen.“ Ein Weg, der deutlich härter ist: „Ich arbeite viel, setze mich mit der Materie auseinander. Aus dem, was ich dabei lerne, kann ich dann der Schnellste werden“, sagt er.

Audi-Sportchef Dieter Gass erinnert sich noch gut an eine seiner ersten Begegnungen mit Rast. „Das war in Le Mans. René kam in die Box und fragte, wo er seinen Laptop für die Daten-Analyse hinstellen kann. Das hat mich vorher noch kein anderer Fahrer gefragt.“

Rast ist ein Perfektionist. Während andere Fahrer im Qualifying zwischen zwei Runden die Strecke geistig noch einmal abfahren, schnappt sich Rast zudem ein I-Pad – und schaut anhand der Daten, wo er noch ein Fitzelchen Zeit verliert. Und genau diese Akribie in der Qualifikation war in diesem Jahr ein wichtiger Punkt auf dem Weg zum Titel, denn Rast startete nicht nur bei fast jedem Rennen aus der ersten Reihe. Kein anderer Fahrer sammelte auch so viele der neu eingeführten Bonus-Punkte in der Qualifikation. Die gibt es für die drei schnellsten Fahrer. Rast schnappte sich 32 Zähler, sein ärgster Titelkonkurrent Nico Müller fuhr gerade mal sieben ein.

Auch in anderen Bereichen war Rast seinen Kontrahenten immer ein Stückchen voraus. Kein anderer Fahrer versteht den Umgang mit den Reifen so wie er. Rast erklärt: „Das habe ich in den Markenpokalen gelernt. Dort kannst du an den Autos wenig verstellen – außer den Luftdruck der Reifen. Damit haben wir jahrelang gespielt. Ich konnte irgendwann den Mechanikern bis auf ein Zehntel genau sagen, welcher Fahrer mit welchem Luftdruck gefahren ist.“ Auch ansonsten ist er stets am Tüfteln. Im Keller seines Hauses in Bregenz hat sich Rast beispielsweise einen eigenen Simulator einbauen lassen, in dem er an manchen Tagen stundenlang die kommenden Rennstrecken auswendig lernt. „Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an die DTM denke“, gibt er zu. Und das ist in der Tat eine Parallele zu Michael Schumacher.

Vom Humor her kommt er dagegen eher nach Sebastian Vettel, gegen den er auch in der Anfangszeit Kartrennen fuhr – und auch einige gewann. Dennoch dümpelte er lange in den unteren Klassen des Motorsports, fuhr VW-Polo-Cup, Seat Leon Supercopa und Porsche- Carrera-Cup. Trotz zahlreicher Titel gelang der Durchbruch lange Zeit nicht. Selbst nach erfolgreichen Testfahrten erhielt Rast vom damaligen Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich kein DTM-Cockpit. Erst Ullrichs Nachfolger Gass erkannte das Talent – und dann folgte im Juli 2016 ein folgenreiches Telefonat. „Wir hatten gerade den 30. Geburtstag meiner Freundin gefeiert, als gegen neun, halb zehn mein Handy klingelte“, erinnert sich Rast. „Ob ich nicht Lust hätte, DTM zu fahren.“ Audi-Pilot Adrien Tambay hatte sich die Hand verletzt, das Team suchte einen Ersatz, der schon am nächsten Morgen an der Rennstrecke in Holland sein musste. Rast grinst: „Gegen zwei, drei Uhr nachts kamen wir im Hotel an.“ Ein halbes Jahr später bekam er einen Vertrag für die komplette Saison, raste auf Anhieb zum Titel und wurde vom Spätstarter zum Durchstarter.

Trotz aller Erfolge haben seine Mechaniker von Rast aber dennoch manchmal so richtig die Nase voll. Rast lacht: „Das stimmt.“ Denn wie so viele Motorsportler ist der 32-Jährige abergläubisch. Nach einem Sieg im Samstagsrennen zieht er sonntags zum zweiten Rennen immer die gleichen Klamotten an - von der feuerfesten Unterwäsche über die Schuhe bis hin zum schweiß- und champagnergetränkten Overall. Eine Kombination, die ganz schön stinkt. „Die Jungs, die mich dann im Auto anschnallen müssen, atmen immer tief durch, bevor sie ins Auto tauchen– und manchmal machen sie auch dicke Backen und drehen den Kopf weg“, erzählt Rast und grinst spitzbübisch. „Andere Kollegen verbrauchen immer das ganze Kontingent an Klamotten für eine Saison. Bei mir könnt ihr am Ende zehn Sets feuerfeste Unterwäsche und zig Schuhe bekommen - garantiert ungetragen.“

René Rast ist erst der siebte Fahrer in der Geschichte der DTM, der mehr als einen Titel gewinnen konnte: Mit zwei Gesamtsiegen steigt er in die Liga von Mattias Ekström, Timo Scheider, Marco Wittmann und Gary Paffett auf. Mehr als zwei Titel haben nur Klaus Ludwig (drei) und der St. Ingberter Bernd Schneider (fünf) auf dem Konto. Allerdings feierte Rast den zweiten Meisterschaftsgewinn bereits in seiner dritten Saison – so schnell wie kein anderer Fahrer vor ihm.

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