Spionage unter Freunden

Keine Frage, es wird Ärger geben: Die Türkei , der die ganze deutsche Richtung nicht passt, weil Berlin die Politik Ankaras durchaus kritisch betrachtet, wird wohl Theater machen. Und Washington, wo man lange auf solche "Enthüllungen" warten musste, darf sich ins Fäustchen lachen: Auch der Bundesnachrichtendienst steht jetzt am Pranger.

Die Deutschen, so der lancierte Tenor, sind kein Jota besser als die USA oder Großbritannien.

Es ist eine Story wie aus dem Agentenlabor: Der Hinweis, dass der BND das Nato-Land Türkei "überwacht", riecht verdächtig nach CIA . Deren Interesse, in "Old Europe" Verwirrung zu stiften, ist schwer zu leugnen. Vor allem, wenn damit vom NSA-Skandal abgelenkt werden kann. Tatsächlich aber ist der angebliche BND-Skandal von eher lächerlicher Natur, denn selbstverständlich beobachten Auslandsgeheimdienste die Vorgänge in anderen Ländern, das ist ihr Job. Und natürlich ist für den BND die nahe Türkei als Nahtstelle von Orient und Okzident sowie als Transitland für Drogen und Waffen wichtiger als Kambodscha oder Kolumbien. Daraus jetzt eine Affäre stricken zu wollen, ist ein durchsichtiges Manöver.

Gerade weil Politiker beim Thema Schlapphüte gern bedeutungsschwer den Kopf wiegen: Nie wird so viel gelogen wie vor Wahlen, nach der Jagd - und bei den Geheimdiensten. Täuschung ist das Arbeitsprinzip. Es ist ja gut möglich, dass die Erkenntnisse der Dienste den Regierungen nützlich sind oder dass die Überwachung bestimmter Milieus dabei hilft, Kriminalität einzudämmen. Aber das wissen wir nicht. Was wir jedoch ahnen und wofür es gewichtige Indizien gibt, ist der Verdacht, dass sich die Geheimdienste im Lauf der Zeit immer mehr verselbstständigt haben und als Staat im Staate aufführen. Dass tatsächlich eine ernsthafte Kontrolle der Dienste erfolgt, wird jedenfalls nur von jenen unterstellt, die glauben, James Bond agiere im Dienste ihrer Majestät.

Spionage unter Freunden - und als solche verstehen sich die Nato-Partner Deutschland und Türkei - ist immer eine pikante Angelegenheit. Wer sollte das besser wissen als die Deutschen nach Edward Snowden . Auch deshalb gerät die Bundesregierung nun in Erklärungsnot, zumal sie in der NSA-Affäre der Bevölkerung gegenüber nicht offensiv genug reagiert hat. Das Eingeständnis eines offenen Geheimnisses, dass nämlich jeder jeden überwacht, könnte zu deutlich mehr Verständnis führen gegenüber den Diensten, die zunehmend unter Rechtfertigungszwang stehen. Es ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob ein Land nachrichtendienstliche Aufklärung betreibt - oder diese akzeptierte Methode nutzt, um alle Menschen dieser Welt klammheimlich zu gläsernen Bürgern zu machen.

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