Spekulieren bis zur letzten Minute

Kassel. Eine Frage geistert seit Monaten durch den internationalen Kunstbetrieb: Welche Namen enthält die Künstlerliste der Documenta 13? Wer da versucht nachzubohren, stößt auf eisernes Schweigen. "Die Künstlerliste wird erst am 6. Juni bekanntgegeben", heißt es

Kassel. Eine Frage geistert seit Monaten durch den internationalen Kunstbetrieb: Welche Namen enthält die Künstlerliste der Documenta 13? Wer da versucht nachzubohren, stößt auf eisernes Schweigen. "Die Künstlerliste wird erst am 6. Juni bekanntgegeben", heißt es. Mehr als ein augenzwinkerndes "vielleicht" ist Carolyn Christov-Bakargiev, der künstlerischen Leiterin und ihrem Team, nicht zu entlocken. Zwar lässt sie gelegentlich einige Namen im Rahmen ihrer Vorträge fallen. Doch die 1957 geborene Amerikanerin mit bulgarisch-italienischen Wurzeln gibt zu Bedenken, sie lege auch gerne falsche Fährten. Sie hat dafür durchaus nachvollziehbare Gründe. Sie möchte, dass "ihre" Künstler, darunter viele noch unbekannte, sich ganz auf die Erarbeitung ihrer Documenta-Projekte konzentrieren können - ohne bereits jetzt schon ins mitunter gnadenlose Räderwerk des Kunstmarktes zu gelangen.Wer sich in die Gedankenwelt der nächsten Documenta einlesen möchte, kann die im Hatje Cantz Verlag erscheinende Schriftenreihe "100 Notizen - 100 Gedanken" konsultieren. Darin äußern sich Künstler, Wissenschaftler und Philosophen zu Zeitfragen. Die Documenta versteht auch die Autoren dieser für die Ausstellung zentralen Essay- und Faksimile-Reihe als Teilnehmer der Weltkunstschau. Insgesamt hat Christov-Bakargiev rund 160 Künstler eingeladen. Dass sie denen nicht die Schau stehlen lassen will, wurde kürzlich bei einem in den Medien ausgefochtenen Streit mit Bildhauer Stephan Balkenhol klar (wir berichteten). Der gestaltete auf Einladung der katholischen Sankt Elisabethkirche in Kassel deren Innenraum und Turmspitze mit elf Plastiken neu. Christov-Bakargiev ließ den Künstler wissen, dass sie sich von seiner Figur "bedroht" fühle. Der warf ihr Kleingeistigkeit, Allmachtsgefühle und einen Hang zur Zensur vor.

Anders als bei vorherigen Documenta-Ausstellungen wird es wohl dieses Mal keine neu geschaffenen Orte geben, an denen die Kunst präsentiert wird. Eine provisorische Pavillonarchitektur auf der Karlsaue wie 2007 bei der Documenta 12 ist jedenfalls nicht geplant. Christov-Bakargiev denkt da durchaus ökologisch. Die Karlsaue, der zweitgrößte Park Kassels, wird wieder ein zentraler Ort der Documenta werden. Hier plant Christov-Bakargiev, soviel hat sie bereits zwischen den Zeilen bedeutet, die Installation zahlreicher Arbeiten. Eine steht bereits seit Juni 2010 dort: "Idee di Pietra" (Ansichten eines Steins), ein neun Meter hoher Bronzebaum des 1947 geborenen italienischen Arte-Povera-Vertreters Guiseppe Penone, mit einem Granit-Findling in der Astkrone. Wie bei allen Documenta-Ausgaben wird das Museum Fridericianum wieder Hauptausstellungsort werden. Die meisten Arbeiten für die Documenta 13 werden neu entstehen. Auch während der 100-tägigen Ausstellung bietet man ein dichtes Programm mit Performances, Vorträgen et cetera.

Um die Weltkunstausstellung einem breiteren Publikum zu vermitteln, gibt es erstmals "Worldy Companions". 160 Kasseler vom Automechaniker über die pensionierte Schneiderin bis zum Hochschullehrer werden derzeit geschult, um rund zweistündige Führungen aus der Sicht interessierter Laien anzubieten. Gefunden wurden diese Begleiter über die lokale Presse. Über 700 Interessierte hatten sich spontan beworben. Die Vermittlungsarbeit spielt auf der Documenta spätestens seit der legendären Besucherschule von Bazon Brock 1968 eine zentrale Rolle. Ganz im Sinne ihres spekulativen Ansatzes nennt Christov-Bakargiev ihr Besucherprogramm "Vielleicht Vermittlung und andere Programme".

Die Documenta läuft bis 16. September. Im Internet sind bereits Führungen mit diversen Themenschwerpunkten zu buchen.

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