Speisekarten für Allergiker sind noch rar

Saarbrücken · Eigentlich sollen sämtliche Gastronomen auf speziellen Speisekarten die in den Gerichten enthaltenen Allergene auflisten. Doch solche Karten finden sich bisher nur in wenigen saarländischen Restaurants.

Die neue Allergen-Verordnung, nach der Gastronomen seit Mitte Dezember allergieauslösende Zutaten auf ihren Speisekarten auflisten müssen, bereitet den Saar-Gastwirten Kopfschmerzen: "Ich weiß, was der Gesetzgeber von mir will, aber ich weiß noch nicht, wie ich das umsetze", sagt Gastronom Cliff Hämmerle aus Blieskastel. "Wir haben zu diesem Thema ein sechsstündiges Seminar besucht, sind aber noch nicht schlauer."

Die Verordnung verlangt, dass zu jedem Gericht auf der Speisekarte genau aufgelistet werden muss, wenn einer von 14 möglichen Allergie-Auslösern enthalten ist. Möglich ist auch, eine spezielle Allergiker-Speisekarte vorzuhalten. Diesen Weg ist Thomas Bruch gegangen. Diese gibt es seinen Häusern zusätzlich zur normalen Speisekarte. "Außerdem bieten wir jederzeit eine Rücksprache mit der Küche an, um jegliche Gefährdung durch Allergene zu verhindern", sagt Bruch. Bruch betreibt unter anderem die Stiefel-Gastronomie und das Restarant "Tabaksmühle".

Auf den persönlichen Kontakt setzt auch Klaus Erfort , Chef des Gästehaus Erfort: "Wir sprechen die Gäste schon bei der Reservierung gezielt an und bitten sie, uns auf mögliche Allergien hinzuweisen", sagt er. Eine spezielle Allergen-Karte hält der Sternekoch für problematisch: "Wir kochen nach Geschmack und nicht nach vorgefertigten Rezepturen", sagt er. Auch sei das tägliche Angebot stark von den verfügbaren Zutaten abhängig. "Kochen hat ja auch mit Improvisieren zu tun. Wir versuchen deshalb, auf den Gast zuzugehen und das Thema direkt zu klären." Auch Sternekoch Hämmerle wählt aktuell diesen Weg: "Ich spreche in unserem Restaurant Barrique vorab jeden Gast persönlich an und frage nach Allergien."

"Allergiker sind keine Selbstmörder, waren es noch nie", sagt auch Jürgen Becker vom Restaurant "Die Linde". Schon immer hätten sie nach den verwendeten Zutaten gefragt. Und diese Möglichkeit hält er in Restaurants, die frisch kochen, für die einzig praktikable Lösung: "Letztlich kann jedes Essen ja Spuren von allem enthalten", sagt er. Denn über die Kochgeräte wie Messer oder Brettchen sei es natürlich möglich, dass sich beispielsweise Selleriespuren auch in anderen Gerichten finden: "Wir desinfizieren sie ja nicht nach jedem Gebrauch."

Auch Frank Hohrath, Geschäftsführer des saarländischen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) sieht diese Problematik. Spätestens bei Salat-Buffets würde die Vorgabe, die für alle Staaten in der EU gilt, ad absurdum geführt: "Wenn ein Kunde beispielsweise die Salat-Bestecke vertauscht, sind möglicherweise Allergene von einem in den anderen Salat gewandert", sagt er. Trotzdem bemühe sich der Verband, Gastronomen im Land bei der Umsetzung der Richtlinie konstruktiv zu begleiten.

Leichter ist die Umsetzung für Gastronomen mit einem gleichbleibenden Angebot. Das Restaurant Vapiano beispielsweise hat nach Unternehmens-Angaben für alle Gerichte eine Liste mit deklarationspflichtigen Zusatzstoffen erstellt, auf die auch mit entsprechenden Aufstellern hingewiesen werde.

Das saarländische Umweltministerium ist im Rahmen der allgemeinen Betriebskontrollen auch dafür zuständig, die Umsetzung dieser neuen Kennzeichnugspflicht zu kontrollieren. Umweltminister Reinhold Jost (SPD ) äußert sich grundsätzlich positiv zur Bereitschaft der Gastronomie, die neuen Regeln anzuwenden. "Wir haben in den ersten Wochen die positive Erfahrung gemacht, dass sich die Betroffenen im Saarland sehr bemühen, die Regelungen korrekt umzusetzen", sagt er.

Meinung:

Zu viel Bürokratie

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Die Frage der Speisekarten ist nur das eine Problem, vor das die neue Verordnung die Gastronomen stellt. Letztlich müssen sie für jedes Produkt, das sie verwenden, einen Herkunftsnachweis vorhalten. Wer also kreativ nach Tagesangebot auf dem Großmarkt einkauft, muss zu Spargel und Fisch gleich noch die Dokumentation des Anbaus und der Aufzucht einholen. So sinnvoll das sein mag, um Allergiker zu schützen, die bei falschem Essen lebensbedrohende Schocks riskieren, so sehr überfordert die überbordende Bürokratie die Gastronomen . Es geht gar nicht darum, dass sie nicht wissen, welche Produkte sie verwenden. Darüber sollten sie jeden Gast aufklären können. Doch die Zeit für die Dokumentation fehlt bei der eigentlichen Aufgabe: Dem Kochen.

Zum Thema:

HintergrundDer Gastronomie-Zulieferer Vendis, der zahlreiche Saar-Restaurants mit Tiefkühl-Produkten beliefert, hat für alle seine Produkte Allergen-Listen erstellt. Auf mehrseiten Listen, aber auch in einer Internet-Datenbank könnten Restaurants die Herkunft sowie den Produktionsweg nachvollziehen und die enthaltenen Zusatzstoffe abrufen, sagt Vendis-Geschäftsführer Frank Oran. jwo

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