SPD will längere Lohnfortzahlung

Berlin · Die SPD will eine bessere Gesundheitsförderung in Betrieben erreichen. Unternehmen, die den gesetzlichen Bestimmungen nicht nachkommen, sollen zu einer Lohnfortzahlung von zwölf Wochen verdonnert werden.

Die SPD will Arbeitnehmer besser vor psychischen Belastungen im Beruf schützen - und droht Betrieben, die ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Gesundheitsförderung nicht nachkommen, mit einer Verdoppelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Zunahme psychischer Erkrankungen ist zweifellos ein großes Problem. So veröffentlichte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erst kürzlich eine Umfrage, wonach sich 56 Prozent der Beschäftigten in ihrem Job "gehetzt" und "unter Zeitdruck" fühlen. Die Techniker Krankenkasse hat ermittelt, dass die Zahl der Fehltage wegen psychischer Störungen seit dem Jahr 2000 um 70 Prozent gestiegen ist. Den Arbeitgebern kommt diese Entwicklung teuer zu stehen. Ihr Verband, die BDA, rechnet vor, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit fast 40 Milliarden Euro jährlich die teuerste betriebliche Sozialleistung ist.

Ginge es nach der SPD, dann würde im Falle ihres Wahlsiegs so mancher Betrieb künftig noch stärker zur Kasse gebeten. Falls ein Arbeitgeber nämlich nicht das im Sozialgesetzbuch vorgesehene "Eingliederungsmanagement" für Mitarbeiter nach einer Erkrankung anbieten kann, soll sich die Lohnfortzahlung um sechs auf dann insgesamt zwölf Wochen verlängern. So steht es in einem Antrag, den die SPD-Bundestagsfraktion ins Parlament einbringen will.

Fraktionsvize Elke Ferner verteidigte gegenüber unserer Zeitung den Vorstoß. "Leider ist es so, dass manche Betriebe ohne Sanktionen nicht zu Veränderungen im Gesundheitsschutz bereit sind." Wenn die Betroffenen länger als sechs Wochen krank seien, müsse die Allgemeinheit über die Krankenversicherung die Zeche zahlen. "Das ist auch ungerecht gegenüber den Arbeitgebern, die sich aktiv um ihre Belegschaft kümmern und die Gesundheitsförderung ernst nehmen. Denn sie sind mit ihrem Beitragsanteil ebenfalls an den Kosten beteiligt", erläuterte Ferner.

Beim potenziellen Koalitionspartner, den Grünen, hielt sich die Begeisterung über den Vorschlag stark in Grenzen. Nach Einschätzung ihrer arbeitsmarktpolitischen Sprecherin, Brigitte Pothmer, resultiert das Problem aus der unzureichenden Umsetzung bestehender Gesetze. "Anstatt den Unternehmen zu drohen, wollen wir besonders kleine und mittlere Betriebe besser bei der Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements unterstützen", erklärte Pothmer.

Die Regierungsparteien lehnten die Idee rundweg ab. "Es ist erfolgversprechender, gemeinsam mit Unternehmen und Krankenkassen nachhaltige Lösungen zum Abbau psychischer Belastungen am Arbeitsplatz zu entwickeln, als im Schnellschuss Lohnfortzahlungsregelungen zu ändern", meinte der Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, Peter Weiß. Der FDP-Sozialexperte Heinrich Kolb hält den Vorstoß der Genossen schlicht für unpraktikabel. "Das führt nur zu neuer Bürokratie und wird insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben nicht handhabbar sein", sagte er unserer Zeitung.

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