Spaniens hartes Ringen um eine "weiche Rettung"

Tausendmal verneint, doch nun scheint es nur noch eine Frage der Zeit: Seit Monaten beteuert die Madrider Regierung, Spanien werde keinen Rettungsschirm der EU in Anspruch nehmen. "Es wird keine europäische Rettung für die spanischen Banken geben", hatte Ministerpräsident Mariano Rajoy vor nicht einmal zwei Wochen betont

Tausendmal verneint, doch nun scheint es nur noch eine Frage der Zeit: Seit Monaten beteuert die Madrider Regierung, Spanien werde keinen Rettungsschirm der EU in Anspruch nehmen. "Es wird keine europäische Rettung für die spanischen Banken geben", hatte Ministerpräsident Mariano Rajoy vor nicht einmal zwei Wochen betont. Jetzt steht voraussichtlich ein Hilfegesuch für die maroden Banken des Landes kurz bevor. Die konservative Regierung in Madrid dementierte gestern jedoch weiter heftig "Spekulationen", wonach sie schon an diesem Wochenende den offiziellen Rettungsantrag stellen werde.Immerhin gab Ministerpräsident Rajoy zu, dass die Lage des Staates und seiner Bankenbranche "sehr heikel" sei. Aber bevor die Regierung einen formellen Hilferuf absetze, werde man die Berichte des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zweier privater Bilanzprüfungs-Gesellschaften abwarten, sagte Rajoy. Der IWF will am Montag seine Erkenntnisse darüber mitteilen, mit wie vielen Milliarden Spaniens marode Banken gestützt werden müssen. Die internationalen Buchprüfer, darunter das deutsche Beratungsunternehmen Roland Berger, wollen sich am 21. Juni äußern.

"Wenn wir die Zahlen kennen, werden wir jene Entscheidung treffen, die für das allgemeine Interesse der Spanier am besten ist", sagte Rajoy. Sicher ist bisher nur, dass der Finanzbedarf etlicher wankender Banken so groß ist, dass Spanien ihn aus eigenen Mitteln nicht aufbringen kann. Allein die bereits verstaatlichen Geldhäuser Bankia, Catalunya Caixa und Novagalicia müssen zusammengerechnet mit mehr als 30 Milliarden Euro gestützt werden. Weitere Banken haben nach Riesenverlusten durch riskante Immobiliengeschäfte ebenfalls erhebliche Probleme. Es wird geschätzt, dass Spaniens Banken mit bis zu 100 Milliarden Euro gestützt werden müssen.

Die Regierung konnte nie sagen, woher sie das Geld nehmen will. An den internationalen Geldmärkten wird sich Spanien diese Summe aber wohl kaum leihen können, da die Anleger dem Land misstrauen. Gerade erst hatte das spanische Schatzamt versucht, am Finanzmarkt frisches Geld zu besorgen, musste aber den Investoren für zehnjährige Anleihen mehr als sechs Prozent Zinsen bezahlen - fünf Mal so viel, wie für deutsche Anleihen fällig wird. Eine horrende Risikoprämie, welche das von Krediten abhängige Spanien nicht lange aushalten wird. "Wir laufen ernsthaft Gefahr, dass wir uns nicht mehr an den Märkten finanzieren können", beschrieb Rajoy den Ernst der Lage.

Das Sträuben der Spanier gegen Hilfen aus dem europäischen Rettungsfonds scheint verständlich zu sein. "In Deutschland verstehen einige Leute nicht, weshalb Spanien nicht um eine Rettung bitten will", schreibt der Ökonom José Carlos Díez in der Zeitung "El País". "Dies bedeutet jedoch eine Verkennung der Realität und ist fast schon krankhaft. Die drei Experimente mit EU-Rettungen erwiesen sich als desaströs, denn die verordnete Medizin hat die Krankheit noch schlimmer gemacht. Da ist es logisch, dass Madrid den Spaniern dies ersparen will."

Auch die Regierungen in Griechenland, Portugal und Irland hatten lange Zeit beteuert, ihre Finanzprobleme allein lösen zu können, brauchten dann aber doch europäische Hilfe. Spanien bemüht sich nun offensichtlich um eine "weiche Rettung", bei der sie das Gesicht wahren kann. Der milliardenschwere Notkredit des Euro-Rettungsschirms soll direkt an den spanischen Bankenhilfsfonds namens "Frob" gezahlt werden. Mit diesem Weg möchte die Regierung in Madrid vermeiden, als Pleitestaat mit Portugal, Irland und Griechenland in einen Topf geworfen zu werden. Zugleich würden die mit der Milliardenspritze verbundenen Reformauflagen dann nur die spanischen Banken und nicht den ganzen Staat treffen, hofft man in Madrid.

Möglicherweise ist dies aber nur ein frommer Wunsch. Der Ökonom Díez warnt: "Für die Banken-Hilfe muss der Staat bürgen. Damit werden die privaten Schulden der Geldhäuser staatliche Schulden. Das hat zur Folge, dass die Ratingagenturen die Bonität des Landes sofort auf Ramschniveau herabstufen und dem Staat damit auf Dauer den Zugang zu den Kapitalmärkten verbauen werden." "Wir laufen Gefahr, dass wir uns nicht mehr an den Märkten finanzieren können."

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy

Hintergrund

Griechenlands oberster Steuerfahnder hält die umstrittene Kritik von IWF-Chefin Christine Lagarde an der Steuermoral seiner Landsleute für berechtigt. "Ich stimme Frau Lagarde vollkommen zu", sagte Nikos Lekkas der Zeitung "Die Welt". Die Steuerflucht erreiche zwölf bis 15 Prozent des Bruttosozialprodukts und damit etwa 40 bis 45 Milliarden Euro pro Jahr. "Wenn wir davon auch nur die Hälfte eintreiben könnten, wäre Griechenlands Problem gelöst", sagte Lekkas. Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, hatte gesagt, die Griechen müssten nur ihre Steuern zahlen, um ihre Finanzprobleme zu bewältigen. Mit dieser Äußerung hatte sie Empörung bei griechischen Politikern ausgelöst.

Lekkas sagte, Griechenland habe seit 1996 die nötigen Gesetze gegen Steuerbetrug. "Sie wurden nur nie angewendet." Ein Hindernis bei der Fahndung seien die griechischen Banken. Die Steuerfahndung scheitere meistens mit Anträgen, die Konten Verdächtiger einzusehen. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort