Sorge um Euro bleibt bestehen

Brüssel. Der von Griechenland heftig dementierte Ausstieg aus der Gemeinschaftswährung ist bei Volkswirten umstritten. "Der Euro-Austritt wäre das kleinere Übel", sagte der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Alternative wären immer neue Hilfen und Rettungskonzepte für das hoch verschuldete Land

Brüssel. Der von Griechenland heftig dementierte Ausstieg aus der Gemeinschaftswährung ist bei Volkswirten umstritten. "Der Euro-Austritt wäre das kleinere Übel", sagte der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Alternative wären immer neue Hilfen und Rettungskonzepte für das hoch verschuldete Land. Andere Ökonomen halten das Ausstiegsszenario für zu gefährlich.Nach einem Geheimtreffen hochrangiger Vertreter des Euro-Raums am Freitagabend in Luxemburg sollen am 16. Mai in der EU weitere Maßnahmen gegen einen drohenden griechischen Staatsbankrott offiziell diskutiert werden.

Die großen Länder der Euro-Zone hätten "jegliche Umschuldung" Griechenlands bei dem Treffen abgelehnt, sagte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker anschließend. Allerdings gibt es bisher unterschiedliche Auffassungen darüber, was mit dem Begriff genau gemeint ist. Die Idee eines Euro-Austritts bezeichnete der Vorsitzende der Euro-Gruppe als "dumm". Aus Finanzkreisen verlautete, dass auch eine Aufstockung des 110 Milliarden Euro schweren Hilfspakets für Griechenland zur Diskussion steht, Deutschland dies jedoch ablehnt.

Ein Bericht von "Spiegel Online", wonach Griechenland die Abschaffung des Euros und die Wiedereinführung einer eigenen Währung als Ausweg aus der Schuldenkrise erwäge, hatte den Kurs der Gemeinschaftswährung am Freitag unter Druck gesetzt. Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou bezeichnete solche Spekulationen als "fast schon kriminell". "Kein solches Szenario wurde jemals diskutiert, nicht einmal inoffiziell", sagte Papandreou am Samstag. Sein Land wolle in Ruhe den eingeschlagenen Spar- und Reformkurs zu Ende führen.

Wirtschaftsforscher Sinn betonte hingegen: "Wenn Griechenland aus dem Euro austräte, könnte es seine Währung abwerten und wettbewerbsfähig werden." Sein Kollege Clemens Fuest, Leiter des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums, bestätigte, dass diese Möglichkeit zumindest in der Theorie erwogen wird. "Klar, dass das intern neben anderen Szenarien geprüft wird." Der Ökonom von der Universität Oxford hält zunächst einen Schuldenschnitt - also den Verzicht der Gläubiger Griechenlands auf einen Teil ihrer Forderungen - für sinnvoll. "Im zweiten Schritt kann man darüber nachdenken, ob Griechenland in der Euro-Zone bleiben will." Andere Volkswirte warnten in der Tageszeitung "Die Welt" vor den Folgen eines Austritts. "Die Wiedereinführung der Drachme wäre für Griechenland ökonomischer Selbstmord", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Sein Kollege Thomas Mayer von der Deutschen Bank befürchtet Ansteckungseffekte etwa in Portugal oder Irland.

An dem Treffen in Luxemburg hatten neben den Finanzministern aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Griechenland auch der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, und EU-Währungskommissar Olli Rehn teilgenommen. Juncker hatte am Freitag noch zurückweisen lassen, dass es überhaupt ein Treffen gibt. Am Samstag hieß es dann, dass er zu der informellen Gesprächsrunde mit eingeladen habe. Ein Sprecher von Währungskommissar Rehn betonte, es habe sich nicht um ein "Krisentreffen" gehandelt.

Hintergrund für die Nervosität sind Erwartungen, dass die Milliardenhilfen von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) nicht ausreichen, um Griechenland dauerhaft vor einer Staatspleite zu bewahren. Die Diskussion dreht sich Beobachtern zufolge um die Auflagen für die nächste Tranche aus dem Hilfspaket, aber auch um eine mögliche Verlängerung von Rückzahlungsfristen. Die Athener Zeitung "Ta Nea" berichtet von einem "neuen SOS-Paket", das am 16. Mai bei der nächsten Zusammenkunft der EU-Finanzminister beschlossen werden könnte. dpa

Hintergrund

Kann ein Land, das den Euro einmal eingeführt hat, die Gemeinschaftswährung im Alleingang auch wieder abschaffen? Die rechtliche Lage ist komplex. Ein eigenmächtiger Rückzug aus der Währungsunion sei nur möglich, wenn ein Land gleichzeitig aus der EU austritt, schrieb Phoebus Athanassiou, Jurist bei der Europäischen Zentralbank (EZB), 2009 in einem Fachartikel.

Dem "Economist" zufolge könnte ein Land aber auch einfach ein Gesetz verabschieden, wonach die Gehälter seiner Staatsbediensteten, soziale Leistungen und auch Zinsen für Staatsschulden künftig in einer neuen Währung gezahlt werden. Der private Sektor müsste dann notgedrungen folgen. Allerdings müsste für die Zeit der Umstellung der Kapitalverkehr eingeschränkt werden und möglicherweise sogar die Reisefreiheit, um ein Chaos an den Märkten und in der Bevölkerung zu verhindern. Ein Land müsse aber völlig verzweifelt sein, um einen solchen Schritt zu wagen. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort