So hinreißend kann die Katastrophe sein

Forbach. Im November war bei "Primeurs", dem Festival frankophoner Gegenwartsdramatik, unter dem Titel "Hochmut, Verfolgung und Enthauptung" die deutschsprachige Werkstattinszenierung des Staatstheaters zu sehen; für kommende Spielzeit ist die deutsche Erstaufführung geplant

Forbach. Im November war bei "Primeurs", dem Festival frankophoner Gegenwartsdramatik, unter dem Titel "Hochmut, Verfolgung und Enthauptung" die deutschsprachige Werkstattinszenierung des Staatstheaters zu sehen; für kommende Spielzeit ist die deutsche Erstaufführung geplant. Das furiose Original "Orgueil, poursuite et décapitation" war am Dienstag im Forbacher Carreau zu sehen, mit dem von der Autorin Marion Aubert mitbegründeten Ensemble "Cie Tire pas la nappe" aus Montpellier.Als Dramatikerin macht sich Aubert ihren eigenen realen "Beobachterposten" als Frau, Tochter, Gattin, Mutter, Schwiegertochter, Schauspielerin und Autorin zunutze - indem sie sich selbst spielt, wird das Schreiben als Schaffensprozess und Ringen um Wahrhaftigkeit zum Thema. Acht Darsteller in rund 30 Rollen führen uns den Typus der so genannten "Chonchons" vor: Normalos, die unter Druck ausflippen - der gemeine Chonchon schlummert in jedem von uns. Aubert und Regisseurin Marion Guerrero, ebenfalls als Akteurin mit von der Partie, jagen die Figuren in eine Verschachtelung bizarr überzeichneter einzelner Bilder und Situationen. Als Kulisse dienen mobile Wandstreifen, muffig ausstaffierte Wohnmodule. Auberts Blick von der Warte einer ins Chaos Verstrickten, deren Fantasien sich verselbständigen, ist nur ein scheinbar naiver, wetzt sie doch das Messer an den infantilen und vulgären Exzessen unserer Gesellschaft und deren Opfer-Täter-Mechanismen. Ob Familie oder Beruf: Es geht um Macht, Neid, Gier, Missgunst. Wir begegnen geifernden Schwiegermüttern, tumben Söhnen, frustrierten Ehefrauen, hilflosen Gatten und brutalen Vätern; überforderten Müttern, die den Rand des Nervenzusammenbruchs überschreiten, sexuell übergriffigen Arbeitgebern und spinnerten Poeten. Eine abgründige, von wunderbaren Schauspielern getragene Groteske, bei der sich innere Monologe der Verzweiflung in derben Tiraden entladen. Eine hinreißende Mordsgaudi. kek

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort