Siemens-Umbau bedroht 11 600 Jobs

München · IG Metall und Betriebsrat sind von der Dimension der Rotstiftpläne überrascht. Siemens relativiert. Interne Verlagerungen können die Jobverluste noch begrenzen.

Siemens bleibt für negative Überraschungen auch unter Konzernchef Joe Kaeser gut. Seit drei Wochen rätseln 360 000 Siemensianer, welche Auswirkungen der Anfang Mai verkündete Radikalumbau des Konzerns für ihre Stellen hat. Gegenüber Analysten in New York hat Kaeser nun erstmals eine Zahl genannt, die es in sich hat. Betroffen sind demnach 11 600 Arbeitsplätze. IG Metall und Betriebsrat wurden vorab nicht informiert und reagierten entsprechend irritiert. "Wir sind völlig überrascht worden, die Zahl kommt aus heiterem Himmel", sagte ein Gewerkschafter in München. "Mit uns wurde nicht gesprochen", erklärte eine Kollegin der Frankfurter IG Metall-Zentrale. "Abbau von Bürokratie - ja, Stellenabbau - nein", stellte ein Sprecher des Siemens-Gesamtbetriebsrats klar.

Wieder in Deutschland zurück hat Kaeser seine Aussagen relativiert. Die Darstellung, Siemens wolle 11 600 Stellen streichen sei "falsch ausgelegt", schreibt der Siemens-Chef an die deutsche Belegschaft. Die vom neuen Konzernumbau betroffenen Beschäftigten könnten darauf bauen, dass sie "in weiten Teilen" innerhalb von Siemens anderweitig eingesetzt werden. Konkrete Schritte zum Konzernumbau würden in nächster Zeit Siemens-intern besprochen. "Bei wichtigen Fragen haben Sie ein Recht und ich die Pflicht, dass Sie vom Chef persönlich informiert werden", schreibt Kaeser.

Gewerkschafter und Betriebsräte hatten zuvor irritiert und verärgert reagiert. "Mit Besonnenheit und Respekt" werde der Umbau umgesetzt, hatte Kaeser Anfang Mai mit Blick auf die Arbeitsplätze versprochen. Der Stil, die bedrohte Zahl von Stellen jetzt erst einmal Analysten zu nennen, kommt bei der IG Metall nicht als Ausdruck von Respekt an. In der Dimension seien die 11 600 genannten Stellen zudem "deutlich mehr als intern in Gremien besprochen", kritisiert eine Gewerkschafterin. Für die IG Metall ist klar, dass Deutschland Schwerpunkt des Kahlschlags ist. Denn betroffen sind vor allem Verwaltungsjobs, die hier konzentriert sind. Internen Versetzungen sind zudem enge Grenzen gesetzt, weil das beim gerade auslaufenden Stellenabbau, den noch Kaesers Vorgänger Peter Löscher zu verantworten hatte, schon eine nun weitgehend ausgereizte Praxis war. "Eine Milliarde Euro spart man nicht, wenn man keine Stellen streicht", heißt es indessen an anderer Stelle bei Siemens. Das ist Kaesers Sparziel, das bis Herbst 2016 erreicht werden soll. Doch Betriebsrat und IG Metall pochen auf einen Beschäftigungspakt, der 2010 vereinbart wurde und betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. "Wir werden nicht hinnehmen, dass der Beschäftigungsabbau der letzten Jahre fortgesetzt wird", sagt Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn.

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Am RandeEx-Siemens-Vorstand Uriel Sharef ist im wohl letzten großen Prozess um den milliardenschweren Schmiergeldskandal bei Siemens freigesprochen worden. Das Landgericht München folgte gestern dem Antrag der Verteidigung und warf der Staatsanwaltschaft unter anderem vor, Akten nicht vollständig und zu spät vorgelegt zu haben. Sie hatte Sharef vorgeworfen, er habe in Argentinien ein Bestechungssystem gedeckt, um einen Geschäftsabschluss zu erreichen. dpa

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