Siemens ohne Sonnenkraft

München. "Die Solarthermie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts", verkündet Siemens auf seiner Homepage. Aber für Europas größten Elektrokonzern ist jetzt Schluss damit. Siemens hat in diesem Bereich nur rote Zahlen eingefahren. Nun wird im Zuge des "Sparprogramms 2014" das gesamte Solargeschäft verkauft

München. "Die Solarthermie ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts", verkündet Siemens auf seiner Homepage. Aber für Europas größten Elektrokonzern ist jetzt Schluss damit. Siemens hat in diesem Bereich nur rote Zahlen eingefahren. Nun wird im Zuge des "Sparprogramms 2014" das gesamte Solargeschäft verkauft. Ein weiterer Rückschlag für Vorstandschef Peter Löscher, der das Unternehmen zum "grünen Riesen" machen und mit der Energiewende viel Geld verdienen will.Gerade mal drei Jahre ist es her, dass Löscher für 284 Millionen Euro das israelische Solarthermie-Unternehmen Solel gekauft und selbstbewusst verkündet hatte, Siemens wolle zum Marktführer in diesem Bereich aufsteigen. Die Wüstenstrom-Initiative Desertec beflügelte damals die Fantasie. Die Sonnenstrahlen wollte man vor allem in Nordafrika mit großen Spiegeln bündeln und die Hitze über eine Dampfturbine in Strom umwandeln. Aber das Geschäft kam nie auf Touren. Sechs Großaufträge bekam Solel in Spanien und Indien - das war's. Vor einem Jahr musste Siemens 231 Millionen Euro abschreiben. Der Jahresumsatz des gesamten Solargeschäfts, zu dem auch noch der Bau großer Photovoltaik-Anlagen gehört, blieb unter 300 Millionen Euro. Der Verlust sei höher als der Umsatz, hatte Finanzchef Joe Kaeser zuletzt erklärt. Zum Vergleich: Das gesamte Energiegeschäft trug mit knapp 25 Milliarden Euro etwa ein Drittel zum Konzernumsatz bei.

Siemens steht mit seinen Problemen in der Solarsparte nicht allein. Im Preiskampf gegen Billiganbieter aus China haben schon mehrere deutsche Solarfirmen Insolvenz anmelden müssen. Soeben hat Bosch seine Solarsparte wegen tiefroter Zahlen grundsätzlich infrage gestellt. In der Konkurrenz gegen Photovoltaik zog Solarthermie den Kürzeren, sogar auf dem großen US-Markt. "Der globale Markt für Solarthermie ist von vier Gigawatt auf zuletzt etwas über ein Gigawatt zurückgegangen", sagte gestern Siemens-Energievorstand Michael Süß.

Bei erneuerbaren Energien will sich Siemens künftig auf Wind- und Wasserkraftwerke konzentrieren. Jedoch läuft es auch bei der Windenergie nicht rund. Bei der Anbindung von Nordsee-Windparks vor Borkum und Helgoland ans Stromnetz auf dem Festland hinkt Siemens ein Jahr hinter dem Zeitplan her und musste im ersten Halbjahr bereits 481 Millionen Euro abschreiben. Deshalb hat Löscher die Gewinnprognose für dieses Jahr kräftig gesenkt. In den USA streicht Siemens 600 Arbeitsplätze in der Rotorblatt-Fertigung für Windräder. Die Steuervorteile für Windenergie dort laufen zum Jahresende aus, die Nachfrage ist eingebrochen. Und auch aus Deutschland kommt ein Rückschlag: Der dänische Stromanbieter Dong legt seine Pläne für den Windpark Riffgrund 2 vor Borkum auf Eis. Siemens hatte auf ein Geschäft in einer Größenordnung von fast einer Milliarde Euro gehofft.

Das Energiegeschäft ist der größte und profitabelste Sektor von Siemens - dank der Gas- und Dampfkraftwerke. Die Sparte fossiler Energien hat allein in den ersten neun Monaten 8,2 Milliarden Euro Umsatz und ein Ergebnis von 1,56 Milliarden Euro erwirtschaftet. Der Anteil dieses Bereichs könnte in Kürze noch steigen. Siemens verhandelt gerade über den Kauf des italienischen Gaskraftwerkbauers Ansaldo. Bis Anfang November soll die Entscheidung fallen.Foto: dpa

Meinung

Siemens gibt Zukunft preis

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Siemens will mit der großen Energiewende viel Geld verdienen. Nun muss Konzernchef Peter Löscher erleben, dass "grüne Technik" ökonomisch betrachtet kein Selbstläufer ist. Löscher hat daher die Notbremse gezogen. Die Aktionäre sitzen ihm im Nacken. Trotz der hohen Verluste ist aber fraglich, ob der vollständige Rückzug aus der Solartechnik der richtige Schritt ist. Denn langfristig bleibt die Solarenergie ein weites Zukunftsfeld. Die Energiewende wird ohne Sonnenenergie nicht gelingen. Siemens wird daran nun keinen Anteil mehr haben. Der deutsche Elektronik-Riese überlässt - wie bei der Handy-Technik - wieder einmal der Konkurrenz eine Schlüsseltechnologie.

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