Siemens in der Selbstfindung

München/Berlin · Siemens-Chef Joe Kaeser will diesen Mittwoch seine Strategie für das Unternehmen vorstellen. Dabei steckt der Elektro-Konzern gerade mitten im Übernahmekampf um den französischen Konzern Alstom.

Seit Monaten kündigt sich der nächste Umbau bei Siemens an. Doch ausgerechnet jetzt, wo Konzernchef Joe Kaeser die Pläne bei der Präsentation der Halbjahres-Zahlen am Mittwoch verkünden will, hat sich mit dem Übernahmepoker um Alstom eine ganz neue Großbaustelle für Siemens aufgetan. Das Rennen um den französischen Industriekonzern ist zwar noch nicht entschieden, doch vorerst hat der Siemens-Rivale General Electric (GE) die Nase vorn.

Außerdem regt sich nach Informationen des "Spiegel" im Siemens-Aufsichtsrat Widerstand gegen den beabsichtigten Einstieg. Einige drückten Firmenchef Joe Kaeser die Daumen, dass GE bei dem spektakulären Übernahmekampf obsiege, berichtet das Nachrichtenmagazin. Ein Aufsichtsrat wird mit den Worten zitiert: "Für uns geht die Welt nicht unter, wenn wir den Zuschlag nicht bekommen", davon hänge die Zukunft von Siemens nicht ab. In Siemens-Kreisen hieß es dazu gestern, die Zustimmung des Aufsichtsrats zu einem Übernahmeangebot sei einstimmig gefallen. Mit Spannung wird nun in Paris erwartet, ob sich die Politik noch einmal einschaltet. Das Thema Alstom werde eventuell bei dem Treffen von Frankreichs Präsident François Hollande mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag und Samstag diskutiert, berichtete die Wirtschaftszeitung "Les Echos". Alstom ist vor allem als Hersteller von Kraftwerkstechnik und Hochgeschwindigkeitszügen (TGV) bekannt.

Bei ihrer Sitzung am Dienstag dürften die Siemens-Aufseher allerdings den Kauf des Gasturbinen- und Kompressorengeschäfts von Europas größtem Flugzeugtriebwerkhersteller Rolls-Royce absegnen. Der Schritt wäre ein Baustein in Kaesers Strategie, Siemens in vielversprechenden Geschäftsfeldern zu verstärken.

Neben diesem Zukauf war in Medienberichten auch einiges über die anstehenden Umbauarbeiten bei Siemens durchgesickert. Vor allem die Aufteilung des Konzerns in die vier Sektoren Energie, Industrie, Medizintechnik und Infrastruktur & Städte soll angeblich abgeschafft werden, und auch die Zahl der derzeit 16 Siemens-Divisionen dürfte schrumpfen, heißt es in Kreisen. So wolle Kaeser Siemens schlanker und schlagkräftiger machen. Seit Jahren hechelt der Elektrokonzern in puncto Profitabilität dem US-Kontrahenten GE hinterher.

Was das für die Arbeitsplätze bedeutet, bleibt abzuwarten. Die IG Metall schaut genau hin: Man stelle sich nicht generell gegen Veränderungen sagt ein Gewerkschaftssprecher. Sie dürften aber nicht auf kurzfristige Kostensenkungen abzielen, "sondern müssen die langfristig nachhaltige Entwicklung im Blick haben".

Aber auch andere Überraschungen könnte Kaeser im Köcher haben, glaubt Christoph Niesel von der Fondsgesellschaft Union Investment. Schon länger wird etwa über die Zukunft der Siemens-Medizintechnik spekuliert. Auch wegen zahlreicher technologischer Herausforderungen rechnen Experten über kurz oder lang mit einer Abspaltung des Geschäfts, beispielsweise über einen Börsengang.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort