Siemens-Chef baut radikal um

Berlin/München · Siemens-Chef Kaeser greift durch und verordnet dem Konzern erneut eine Schlankheitskur. Damit soll das Unternehmen effizienter werden. Die Gewerkschaften fürchten einen erneuten Stellenabbau.

Es ist eine Herkulesaufgabe: Siemens-Chef Joe Kaeser verordnet Deutschlands größtem Elektrokonzern den radikalsten Umbau seit Jahren. Mit einer neuen Struktur will Kaeser die weit verzweigte Siemens-Gruppe schlanker und effizienter machen und auf wachstumsträchtige Geschäfte konzentrieren.

Für die weltweit gut 360 000 Siemens-Beschäftigten beginnt damit aber auch erneut das große Zittern um die Jobs: Erst im Zuge seines Sparprogramms "Siemens 2014" hatte das Unternehmen 15 000 Arbeitsplätze gestrichen. Und auch jetzt ist im Unternehmen von 5000 bis 10 000 bedrohten Arbeitsplätzen die Rede. Kaeser will sich dazu zwar noch nicht konkret äußern, erklärte aber: "Wer Bürokratieabbau fordert, der muss wissen, dass Bürokratie auch Gesichter hat."

Bereits am Dienstagabend hatte der Siemens-Aufsichtsrat den Weg für die tiefgreifende Neuordnung freigemacht. Die von Kaesers Vorgänger Peter Löscher eingeführte Sektoren-Einteilung wird aufgelöst und die Zahl der Divisionen von 16 auf neun reduziert. Damit sollen auch die Kosten bis zum Herbst 2016 um eine Milliarde Euro gedrückt werden.

Zu der Neuausrichtung gehören außerdem eine Verselbstständigung der Medizintechnik und ein Börsengang der Hörgeräte-Sparte, die Siemens vor Jahren erfolglos verkaufen wollte. Auch im Vorstand geht der Umbau weiter. So ersetzt die Shell-Managerin Lisa Davis den bisher für den Energiesektor zuständigen Vorstand Michael Süß.

Die IG Metall forderte nach der Bekanntgabe der Pläne den Fortbestand der 2010 geschlossenen Standort- und Beschäftigungssicherung, die unter anderem betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Zudem müssten tragfähige Wachstumsstrategien für alle Geschäftsbereiche in der neuen Struktur entwickelt werden.

Im Übernahmepoker um den französischen Konkurrenten Alstom mit dem US-Konkurrenten General Electric (GE) bekräftigte Kaeser ein "ernsthaftes" Interesse von Siemens. Derzeit prüfe man die Alstom-Bücher, danach könnte ein Angebot aus München kommen. Siemens wirft vor allem ein Auge auf die Energietechnik der Franzosen und würde diese wohl auch gegen die eigene Zugsparte eintauschen. Sowohl Siemens als auch GE sind an den Franzosen interessiert, die etwa für den Hochgeschwindigkeitszug TGV bekannt sind. Zuletzt hatte GE die Nase vorn, nachdem der Alstom-Aufsichtsrat den Aktionären eine bindende Offerte der Amerikaner empfahl. Entschieden ist das Rennen damit aber noch nicht.

Bei Siemens fielen die Zahlen des zweiten Geschäftsquartals durchwachsen aus. Unterm Strich verdiente der Konzern 1,15 Milliarden Euro - zwölf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr will Siemens den Gewinn um mindestens 15 Prozent steigern. Das Sektoren-Ergebnis als Kennziffer für das operative Geschäft kletterte zwischen Januar und März um 16 Prozent auf 1,57 Milliarden Euro.

Währungseinflüsse drückten dagegen auf den Auftragseingang, der um 13 Prozent auf 18,43 Milliarden Euro schrumpfte. Der Umsatz sank um zwei Prozent auf 17,45 Milliarden Euro. Zudem musste Siemens Projektbelastungen von mehr als 430 Millionen Euro schultern. Der größte Brocken waren dabei Probleme mit zwei Hochspannungsleitungen in Kanada.

Zum Thema:

HintergrundSiemens ist weltweit ein Inbegriff für die deutsche Industrie. 1847 als Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske in Berlin gegründet, ist der Konzern heute ein großes und komplexes Unternehmen. Ehemals bedeutende große deutsche Konkurrenten wie AEG und Borsig sind längst Geschichte. Rund 362 000 Menschen arbeiten für Siemens, 118 000 davon in Deutschland. Vor allem konzentriert sich der Konzern auf die Geschäftsfelder Energie, Industrie, Medizintechnik und Infrastruktur. Von anderen - wie Telekommunikation oder Halbleiter - hat sich Siemens getrennt. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort