Sie hat den Bogen raus

Neunkirchen · Sie erklärte, erzählte, signierte – und spielte traumhaft. Die Geigerin Hilary Hahn ist am Sonntag in der Neunkircher Gebläsehalle aufgetreten und bot einen begeisternden Abend.

 Hilary Hahn nach dem Konzert in der Gebläsehalle bei der Signierstunde. Neben ihr sitzt Pianist Cory Smythe. Foto: Rich Serra

Hilary Hahn nach dem Konzert in der Gebläsehalle bei der Signierstunde. Neben ihr sitzt Pianist Cory Smythe. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Scherzfrage: Wo liegt Neunkirchen? Ernsthafte Antwort: Auf dem Wege von Madrid nach Paris. Zumindest laut Tourneeplan der Stargeigerin Hilary Hahn, die am Sonntag in der Gebläsehalle Neunkirchen ihr Publikum begeisterte. Und das bereits ohne Geige, nur mit dem Mikrofon in der Hand. Sie plauderte unbefangen, belustigte sich über die eigenen kleinen Fehler in der deutschen Sprache und sprudelte dann auf Englisch weiter. Erläuterte das Programm des Abends und fand angesichts der Hauptwerke - drei Fantasien aus drei Jahrhunderten - die hübsche Definition: In der Musik sei eine "Fantasie" eine "Form ohne Form", die sich also allen gängigen Kategorien entziehe.

Die e-moll-Fantasie von Telemann für Violine solo, mit der sie begann, bewegte sich mit ihrer Polyphonie und ihren Satzcharakteren allerdings noch ganz im barocken Rahmen. Das folgende Spätwerk von Schönberg, op. 47, versuchte gar den Spagat zwischen dem Korsett kunstvoll-strenger Zwölftönigkeit (die zweite Häfte der zugrundeliegenden Reihe ist sogar eine Spiegelung der ersten) und freiem Fantasieren. Und doch stimmte die Definition der Solistin: Wie sie den ständig wechselnden Stimmungen und Gesten dieses Stückes nachspürte und scheinbar mühelos den ganzen Kanon geigerischer Möglichkeiten einsetzte: weite Registerunterschiede, komplizierte Doppelgriffe, Flageolets. Das hatte die Leichtigkeit einer Improvisation und wirkte doch zugleich artistisch. Schon jetzt fiel die ebenso präzise wie sensible Begleitung durch den Pianisten Cory Smythe auf. Aber dann die schwierigste Hürde: die schlichte Mozart-Sonate KV 303, die dem Geiger wenig "Futter" bietet. Wie sie dieses recht anspruchslose Werk zum Klingen brachte, zumal in einer durch dekorative, aber klangschluckende Vorhänge arg beeinträchtigten Akustik, das war meisterhaft.

Nach der Pause griff die zweifache Grammy-Preisträgerin erst wieder zum Mikrofon und sprach über ihre neue Doppel-CD "Encores", für die sie 27 zeitgenössische Komponisten um kurze Beiträge gebeten hatte. Mit Charme und Witz erklärte sie zwei dieser Werke und spielte sie dann: "Shade" ("Schatten") des Briten Richard Barrett (geboren 1959), der das Dreiminuten-Stück seiner eigenen Definition zufolge so konzipiert hatte, "dass ein Instrument sich jeweils im Schatten des anderen bewegt", während "Three sighs" ("Drei Seufzer") des 1933 in Spanien geborenen Antón García Abril in aphoristischer Kürze beeindruckenden Ausdruck bot.

Doch all das übertraf Hilary Hahns Darstellung eines Spätwerks von Schubert, der Fantasie' C-Dur D. 934. Ein fast scheuer Beginn, dann tänzerische Eleganz und übermütiges Spiel mit den enormen technischen Schwierigkeiten, die dennoch stets der Poesie untergeordnet blieben. Stürmischer Beifall und stehende Ovationen sorgten für zwei Zugaben, die das traumhaft sichere Zusammenspiel der beiden Musiker noch einmal deutlich machte. Wem immer gelungen ist, Hilary Hahn hierher zu holen - ihm sei Dank!

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