Sein und Seinlassen

Nach dem Buchpreis 2011 für „In Zeiten des abnehmenden Lichtes“ ist nun Eugen Ruges Zweitling erschienen. In „Cabo De Gata“ erzählt er seine eigene Geschichte.

 2011 erhielt Eugen Ruge den Deutschen Buchpreis. Foto: Tobias Bohm

2011 erhielt Eugen Ruge den Deutschen Buchpreis. Foto: Tobias Bohm

Foto: Tobias Bohm

Die Stelle am Institut für Physik der Erde in Potsdam kündigte er 1985. Drei Jahre später ging Eugen Ruge in den Westen. Selbst einer, der Vorhersagemodelle für Erdbeben entwickelt hatte, konnte die Ereignisse des Wendejahres nicht erahnen. Er lebte ein paar Jahre als Autor von Hörspielen, Theaterstücken und als Übersetzer. Bekannt war sein Name nur wenigen. Es war nicht abzusehen, dass sein Romandebüt "In Zeiten des abnehmenden Lichtes" (2011) ein Riesenerfolg und mit dem Deutschen Buchpreis prämiert werden würde.

Im zweiten Roman "Cabo De Gata" erzählt Ruge jetzt, wie es dazu kam. Es geht um die Selbstfindung eines Schriftstellers. Mag der Autor im Buch auch nicht mit dem realen Autor gleichzusetzen sein, so trägt er doch unverkennbar Züge desselben. Den Job am Institut für Chemietechnik hat er gekündigt. Von Karolin sich getrennt. Jetzt löst er auch die Berliner Wohnung auf und schwänzt die selbst auferlegte "Arbeitsverpflichtung", jeden Tag ein paar Seiten zu schreiben. Getrieben wird er von der Wut auf den Vater, der mit 70 noch "geschichtsphilosophische Artikel" schreibt (wie auch Ruges Vater Wolfgang, der in der DDR ein Historiker und Nationalpreisträger war). "Als wäre er Schuld daran, dass ich seine Regelmäßigkeit nachlebte oder nachäffte, seinen maschinenhaften Lebenstil, seine roboterhafte Arbeitsweise, die umso schwerer zu ertragen war, als er damit Erfolg hatte."

Stadt, Land und Leben will der Protagonist "bis auf weiteres" verlassen und einen eigenen Roman schreiben. Irgendwo. Dem Wetterbericht folgend landet er am Cabo De Gata, dem Kap der Katzen, im Süden Andalusiens. Doch er findet nicht "das letzte romantische Fischerdorf", wie vom Reiseführer gepriesen, sondern eine Wüste. Die Landschaft ein Müllabladeplatz. Auch sonst holt die Realität ihn ein: die Rituale und Schreibblockaden. Bis ihm eine Katze begegnet, von der er lernt, dass das, worauf er hofft, nicht eintreten wird, und zwar weil er darauf hofft.

Ruge erzählt nicht nur von der Genese eines Schriftstellers, es ist auch eine Auseinandersetzung mit dem Vater und der Suche nach Freiheit. Ein Buch übers Sein und Seinlassen, das ein wenig an Hesse erinnert, was auch an dem beschwörenden Erinnerungston liegt, der jedoch nie ins Kitschige abdriftet. Die Konstruktion ist nicht so komplex wie beim Debüt. Das neue Buch ist leise und unpolitisch. Doch es zeigt, dass mit Eugen Ruge weiter zu rechnen sein wird.

Eugen Ruge: Cabo De Gata. Rowohlt, 204 Seiten, 19,95 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort